Hier, vor tausend Jahren, wurde die große Wendenschlacht geschlagen. Die beiden obeliskenhafien Steine, die „Blutsteine" geheißen, standen schon damals, als der letzte Krole hier unterlag ;... 2
Typisch für Fontane, daß er „Geschichte" mit „Historie" übersetzt und seine Gedanken die Landesgeschichte betreffen.
Geschichte kann eine Landschaft jedoch auch innerhalb eines Werkes erlangen, indem sie für bestimmte Situationen und Kontexte konzipiert wird und Bedeutung erhält, in späteren Schriften dann in andere Kontexte transportiert wird, in denen sie einerseits Bedeutung per se schafft, dann aber, durch den neuen Zusammenhang variiert und potenziert, assoziiert wird.
Auch der umgekehrte Fall, daß der Autor die einmal vorgestellte Landschaft reduziert, z.B. auf Formeln oder Platzhalter, und gewissermaßen als Selbstzitat auf einen bestimmten Textzusammenhang verweisen läßt, ist denkbar. Dieses Verfahren entspränge einer gewissen schriftstellerischen Ökonomie und dem Bemühen, das Werk von „Ballast" zu befreien, es durch Verdichtung künstlicher, respektive kunstvoller zu gestalten, es, mit einem Worte Arno Schmidts zu sagen, zu „dehydrieren".
Angeregt durch eine Arbeit Wunbergs 3 soll einerseits das Bild des „Poetensteiges", wie es sich im Stechlin im Garten Dubslavs und auch im Kloster Wutz zeigt, mit Hilfe seines ersten Auftretens bei Fontane in den Wanderungen untersucht und in seiner filigranen Vielschichtigkeit einer Deutung zugänglich gemacht werden. Zum zweiten ist es eine der entscheidenden Stellen im Stechlin - Dubslav meditiert oberhalb des Sees -, für die durch eine Spiegelung größeres Verständnis ermöglicht werden soll. Gezeigt werden soll jene Bedeutungspotenzierung durch die eigene Geschichte eines jeden Landschaftsbildes, jener impliziten Poetik, von der Wunberg spricht, und ein Gipfeln dieser Technik in der höchstziselierten Sprachlichkeit und künstlerischen Verdichtung des Stechlin. Dem zweiten von vier Aufsätzen, die in den Kreis der Spreewaldwanderungen gehören, ist die erste Textstelle entnommen 4 .
Der Poetensteig
Die Reisegesellschaft Fontanes fährt einen schmalen Stichkanal zwischen zwei Hauptarmen der Spree entlang, der von Fontane mit folgenden Worten geschildert wird:
Jeder kennt die geradlinigen, langgestreckten Laubengänge, die sich unter den Namen der Poeten- und Philosophensteige in allen Le Notreschen Parkanlagen vorfinden. Auch unser Tiergarten hat dergleichen. Ein solcher Poetensteig ist der Kanal, der jetzt in seiner ganzen Länge vor uns liegt. Statt des Fußpfades ein Wasser streifen, das gewölbte Laubdach über uns, so gleiten wir die Straße hinauf, die wie eine Düte sich zuspitzend, an ihrem äußersten Ende ein phantastisch verkleinertes, halb erkennbares, halb verschwommenes Pflanzenleben zeigt, als begänne dort unten das Reich der Feen und Geister. Wir erreichten endlich diese äußerste Spitze, statt aber ins Reich der Geister einzufahren, biegen wir nun in einen breiten, zu beiden Seiten mit Erlenwald umstandenen Spreearm ein ... 5
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