Heft 
(1992) 54
Seite
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Hier läßt Fontane Dubslav die BezeichnungPoetensteig" aus der Etymologie ableiten. Daher wird ihm unverständlich, warum seine Mutter den Namen ein­geführt haben könnte. In der Familie sei nie ein Poet gewesen, er selbsthabe überhaupt nur einmal einen gesehen"(59), der jedoch, nach Czako, gar keiner gewesen sei,dann haben sie so gut wie keinen gesehen" (59).

Legt man dieser Passage aber die bereits besprochenen Abschnitte aus den Wanderungen als Folie unter, so vertieft sich die Szenerie beträchtlich, der Ein­druck dioramatischer Transparenz entsteht.

Die MetapherVenedig" taucht auf, dasReich der Feen und Geister" erscheint und erfährt Unterstützung durch das Rondell, das ja bei Fontane eindeutig besetzt ist. 13 Beide transportieren ihre Symbolik von Tod und Jenseits. Das Abbiegen in den anderen Flußarm, so weist Wunberg nach 14 , ist dadurch auf­genommen, daß der Poetensteig das Rondell tangiert, das ja auch für den Stech- linsee steht und somit dengroßen Zusammenhang" in den Stechlinschen Garten überträgt. Was findet sich dann aber im Stechlin am Ende des Weges? In den Wanderungen lockte der Hecht im WirtshausEiche". Der Aussichtsturm, anscheinend schon in desolatem Zustand, bietet schwindelfreien Gemütern freieUmschau".

Nach Süden hin lag das Land frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit Waldmassen besetzt, zwischen denen gelegentlich die sich hier auf weite Meilen hinziehende Seenkette sichtbar wurde. Der nächste See war der Stechlin.(59)

Der Blick auf den Stechlinsee und das umliegende Land wird frei. Nimmt man nun den Stechlin als Symbol für die Verbindung mit der Außenwelt, läßt ihn gar für sie stehen, da er jagleich mit rumort, wenn irgendwo was los ist" (57), so heißt das, daß sich an dieser Stelle der Blick nicht nur für die nähere Umge­bung öffnet, sondern ebenso für dengroßen Zusammenhang der Dinge", mit­hin zum Offensein für das Außen, zur Weitsicht, wird. Das Umliegende als zusammenhängendes System zu erkennen, wird erst durch diese Verlagerung der Perspektive möglich. Auch dieser Gedanke ist in den Wanderungen - sehr konkret - bereits angelegt:

aber er (d.i. der Systemcharakter - U.M.) verbirgt sich vielfach, und nur der­jenige, der in einem Luftballon über das vieldurchschnittene Terrain hinwegflö­ge, würde die zu Maschen geschlungenen Flußfäden allerorten in ähnlicher Deutlichkeit (...) zu seinen Füßen sehen.1 5

Mit dem Lessing-Brief vom 8. Juni 1896 im Hinterkopf -Adel, wie er bei uns sein sollte und wie er ist - läßt sich viaPoetensteig", die antithetische Pointie- rung deranderen" Seite des Adels festmachen. Hierzu eine Szenerie, die zwar nicht explizitPoetensteig" ist, diesem jedoch sehr nahe kommt.

Der Garten war von sehr ländlicher Art. Durch seine ganze Länge hin zog sich ein von Buchsbaumrabatten eingefaßter Gang, neben dem links und rechts, in wohlgepflegten Beeten, Rittersporn und Studentenblume blühten. Gerade in sei­ner Mitte weitete sich der sonst schmale Gang zu einem runden Platz aus, dar­auf eine große Glaskugel stand, ganz an die Stechliner erinnernd, nur mit dem Unterschied, das hier das eingelegte blanke Zinn fehlte.(89) 90