Hier läßt Fontane Dubslav die Bezeichnung „Poetensteig" aus der Etymologie ableiten. Daher wird ihm unverständlich, warum seine Mutter den Namen eingeführt haben könnte. In der Familie sei nie ein Poet gewesen, er selbst „habe überhaupt nur einmal einen gesehen"(59), der jedoch, nach Czako, gar keiner gewesen sei, „dann haben sie so gut wie keinen gesehen" (59).
Legt man dieser Passage aber die bereits besprochenen Abschnitte aus den Wanderungen als Folie unter, so vertieft sich die Szenerie beträchtlich, der Eindruck dioramatischer Transparenz entsteht.
Die Metapher „Venedig" taucht auf, das „Reich der Feen und Geister" erscheint und erfährt Unterstützung durch das Rondell, das ja bei Fontane eindeutig besetzt ist. 13 Beide transportieren ihre Symbolik von Tod und Jenseits. Das Abbiegen in den anderen Flußarm, so weist Wunberg nach 14 , ist dadurch aufgenommen, daß der Poetensteig das Rondell tangiert, das ja auch für den Stech- linsee steht und somit den „großen Zusammenhang" in den Stechlinschen Garten überträgt. Was findet sich dann aber im Stechlin am Ende des Weges? In den Wanderungen lockte der Hecht im Wirtshaus „Eiche". Der Aussichtsturm, anscheinend schon in desolatem Zustand, bietet schwindelfreien Gemütern freie „Umschau".
Nach Süden hin lag das Land frei, nach den drei andern Seiten hin aber war alles mit Waldmassen besetzt, zwischen denen gelegentlich die sich hier auf weite Meilen hinziehende Seenkette sichtbar wurde. Der nächste See war der Stechlin.(59)
Der Blick auf den Stechlinsee und das umliegende Land wird frei. Nimmt man nun den Stechlin als Symbol für die Verbindung mit der Außenwelt, läßt ihn gar für sie stehen, da er ja „gleich mit rumort, wenn irgendwo was los ist" (57), so heißt das, daß sich an dieser Stelle der Blick nicht nur für die nähere Umgebung öffnet, sondern ebenso für den „großen Zusammenhang der Dinge", mithin zum Offensein für das Außen, zur Weitsicht, wird. Das Umliegende als zusammenhängendes System zu erkennen, wird erst durch diese Verlagerung der Perspektive möglich. Auch dieser Gedanke ist in den Wanderungen - sehr konkret - bereits angelegt:
aber er (d.i. der Systemcharakter - U.M.) verbirgt sich vielfach, und nur derjenige, der in einem Luftballon über das vieldurchschnittene Terrain hinwegflöge, würde die zu Maschen geschlungenen Flußfäden allerorten in ähnlicher Deutlichkeit (...) zu seinen Füßen sehen.1 5
Mit dem Lessing-Brief vom 8. Juni 1896 im Hinterkopf - „Adel, wie er bei uns sein sollte und wie er ist” - läßt sich via „Poetensteig", die antithetische Pointie- rung der „anderen" Seite des Adels festmachen. Hierzu eine Szenerie, die zwar nicht explizit „Poetensteig" ist, diesem jedoch sehr nahe kommt.
Der Garten war von sehr ländlicher Art. Durch seine ganze Länge hin zog sich ein von Buchsbaumrabatten eingefaßter Gang, neben dem links und rechts, in wohlgepflegten Beeten, Rittersporn und Studentenblume blühten. Gerade in seiner Mitte weitete sich der sonst schmale Gang zu einem runden Platz aus, darauf eine große Glaskugel stand, ganz an die Stechliner erinnernd, nur mit dem Unterschied, das hier das eingelegte blanke Zinn fehlte.(89) 90
