wirklich Fontanes Sprachkunst zu rezipieren und somit zu würdigen und einzuschätzen wissen" (ebd.). Genau das meint auch Krause in der Schlußbemerkung zu ihrer übersetzungskritischen Untersuchung (wie Anm. 9): „Den englischen Übersetzungen Fontanes, der bis heute seine deutschsprachigen Leser durch Geist und Ton fesselt, und dem das 'Wie' der Darstellung ebenso am Herzen lag wie das 'Was', wird erst dann Erfolg beschieden sein, wenn das Sinnpotential der Werke sich auch dem Leser der Übersetzung in der gewünschten und geforderten Weise mitteilt, in der es im Originalton vorgezeichnet liegt" (S. 259/60). Nach der Lektüre von Krauses ausführlichen und äußerst subtilen Textanalysen zu den bekannteren (d.h. bekannter als Schach) Romanen Frau Jenny Treibei, Irrungen, Wirrungen u. Effi Briest in englischer Übersetzung muß man aber fragen: Ist das überhaupt möglich?
Sonst wäre zu fragen, ob Fontanes Rang im Kontext der europäischen oder Weltliteratur wirklich im Grunde von der Qualität von Übersetzungen seiner Romane abhängt, wie Wittig-Davis (im Anschluß an obiges Zitat) meint: „Ansonsten wird der deutschsprachigen Literatur des 19. Jahrhunderts und insbesondere dem deutschen Roman das leidige Etikett des Mittelmäßigen und weltliterarisch Unbedeutenden unverdienterweise noch länger erhalten bleiben" (ebd.). Am Ende des rezeptionsgeschichtlichen Teils ihrer Arbeit (S. 55/56) stellt Krause nämlich fest, daß man auch in der modernen Forschung (z.B. Pascal, 1956; Remak, 1973; Robinson, 1976) Fontane mit den „Großen" vergleicht, um zu zeigen, daß er doch nicht das Format besitzt, einen der obersten Ränge für sich beanspruchen zu können und daß in solchen Stellungnahmen Demetz' Urteil von 1964 nachklingt: „Weder in Deutschland noch anderswo zählt Fontane zu den Mächtigen, Erzenen, (...) aber unter den Schriftstellern der folgenden Ordnung, unter den Urbanen, Feinen und Zivilisierten, da steht er an der Stirn" (S. 223). Ist das aber wirklich so schlimm, im Kontext der Weltliteratur ein Schriftsteller der zweiten Ordnung, also z.B. ein, wie Demetz ganz positiv meint, „Bundesgenosse Thackerays, Trollopes und William Dean Howells" (S. 222) zu sein? 43 Wirklich viel gelesen werden weder die „Großen" (Demetz nennt z.B. Tolstoj, Flaubert u. George Eliot, S. 223) noch die genannten Autoren der nächsten Ordnung in Amerika, wo man unter zunehmendem Einfluß von Fernsehen, Film, Musik und Computer 44 immer weniger zu lesen scheint, wo in den meisten Buchhandlungen „literature" gesondert von „(current) fiction", „Science fiction", „mysteries" usw. ausgestellt wird, wo in den Schulen vornehmlich „relevante" Texte der modernen bzw. der gegenwärtigen amerikanischen Literatur gelesen werden, wo nur an verhältnismäßig wenigen Universitäten die Komparatistik überhaupt betrieben wird. Unter diesen Umständen kann man vielleicht nur mit Mullen (S. 152) und Wittig-Davis (S. 61) hoffen, daß die deutschen Realisten des 19. Jhs. im allgemeinen und Fonta- nnd der e im besonderen „eines Tages" (Mullen) durch neue und - auf Gru überzeugenden Übersetzungskritik Krauses - bessere Übersetzungen in Ameri- ka wenigstens etwas mehr Aufnahme finden werden5 .4
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