Heft 
(1993) 55
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einem leisen Zweifel. Und wenn Zweifel zu viel gesagt ist, doch mit Fragen. Giebt es solche Frauen? Ich habe keine solche kennen gelernt, am wenigsten (in Süddeutsch­land, Schwaben, mögen Einzelexemplare vorkommen) in den stark ostelbischen Provin­zen. Aber Sie haben sich solche halbe Genoveva * gewählt und ich acceptire sie. Gut, die Ahnungslosigkeit Ihrer Heldin soll gelten. Ich kann sie aber nur gelten lassen bis zu der Abendscene im Park.Fest, vertrauensvoll, lag ihre Hand in der seinigen". Dies Vertrauen" 9 ist mir zu viel. Sie muß wissen, daß es s olche Männer und s ol­che Verhältnisse (der durch Gott bestimmte Seelengeliebte) nicht giebt. Und so möch­te ich glauben, diese Parkscene, oder dieser Theil derselben, fiele besser weg. Was Sie damit gewollt haben, ist mir ganz klar; Sie haben einen höchsten Grad von Seelenrein­heit zeichnen wollen, jene vollste innerliche Hingebung, die erst erschrickt als das Innerliche auch ein Aeußerliches, [über der Zeile eingefügt: Scene unter der Eiche,' 0 ] werden soll. Aber ich glaube, so verlaufen diese Dinge nicht. Das Innerliche endigt jedesmal mit dem Aeußerlichen und [eingefügt: zwar] noch mehr nach Wunsch und Willen des Weibes als des Mannes. Empfindet das Weib aber anders, ist sie gegen diese erfahrungsmäßig unausbleibliche Transponirung, so schwenkt sie schon früher ab und besucht eine Tante in Stettin oder Bromberg, statt am Morgen nach der Parkscene unbefangen beim Frühstück zu erscheinen.

Das sind so meine Bedenken, die Sie aber nicht schwerer nehmen dürfen, als sie ver­dienen. Es gibt einzelne Liebesgeschichten, denen man willig und vollkommen gläubig folgt, aber die Regel ist, daß man die eine oder andre Situation beanstandet. Es ist ein zu diffiziles Gebiet und das jeweilige Urtheil ist immer ein Produkt individueller Erfahrungen.

Ich danke Ihnen, daß Sie mir Gelegenheit gegeben haben, mich mit einer so interes­santen und so liebenswürdigen Arbeit zu beschäftigen. Hochgeehrter Herr,

in vorzüglicher Ergebenheit,

Th. Fontane.

3.

Berlin 21. Novb. 96. Potsdamerstraße 134. c.

Hochgeehrter Herr.

Ergebensten Dank für Ihre liebenswürdigen Zeilen. Es ist so Wenigen gegeben, auf kleine Ausstellungen einzugehn, ich mag es auch von mir selbst nicht behaupten; Sie aber konnten es.

Wenn Sie nach Berlin kommen, früher oder später, bitte ich freundlichst, daß Sie mich auf einer Karte wissen lassen:ich spreche dann und dann bei Ihnen vor"; dann bin ich auch da, während die Sache sonst immer unsicher ist.

In vorzüglicher Ergebenheit,

Th. Fontane.

Ihr Konrad Bistram11 hat in Kassel bei den Husaren gestanden; ich glaube von dort- her ist auch Maria12 mit herübergenommen, - es ist eine südwestliche, keine nordöstli­che deutsche Frauennatur. Ich bin nämlich ein Stamm- und Rassennachweisungsfall.

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