lich gewählte, als „furchtbar malitiös" erkannte und daher für den Druck untaugliche Titel noch unterstellt, das eben sei der Typus „Wie sich die oberen Zehntausend einen 'echten' Dichter denken und wünschenn ". 5 9 Erinnert sei auch a das Schiller parodierende Gedicht n Es soll der Dichter mit dem König gehn. 6 0 Vo „unzulässigster Poetennaivität" spricht in Rücksicht auf eigene Fehler in der Vergangenheit auch die Autobiographie . 61
In Storm beschrieb Fontane nicht einen naiven oder opportunistischen Verse- schmied, sondern einen bedeutenden Dichter, der allerdings angeblich ein „weltfremdes Leben " 62 führte und daher auch dazu neigte, „eine der Zeit nach weit zurückliegende Dichtung als Norm für modernes Leben zu nehmen" 63 . Das hat auch wirkungsgeschichtlich Verwirrung gestiftet. Sowohl Storms als auch Fontanes Bewunderer meldeten sich zu Wort, brachten zusätzliche Vorurteile ein oder sorgten in anderer Weise für weitere Polarisierung. Goldammer zitiert nach Sigmund Schott, dem Verfasser der Rezension in der „Neuen Zürcher Zeitung", auch Carl Busse, Wilhelm Jensen und Moritz Necker. Letzterer formulierte: „Storm war der Provinziale, Fontane der Großstädter; Storm von Beruf Justizbeamter, Fontane Journalist. Storm griff nur in besonderen Weihestunden zur Feder; Fontane mußte auch oft genug invita Minerva zur Feder greifen." So ergab sich ein „Unterschied im Verhältnis zur Produktion (...), geeignet, zwei Männer zu scheiden ". 64
Schon bald ging es nicht mehr um Fontane und Storm allein, sondern um zwei Typen von Autoren, nämlich um Schriftsteller und Dichter und den wirklichen oder vermeintlichen Unterschied zwischen ihnen. Diese Kontroverse kann hier nicht weiter verfolgt werden. Die auch politisch wichtigen Implikationen dieses Themas lassen eine differenzierte Untersuchung wünschenswert erscheinen . 65
Im Hinblick auf Storm und Fontane läßt sich sagen, daß der von diesem aufgebaute Gegensatz zwischen den beiden Autoren bei allen Unterschieden im einzelnen so nicht stimmt . 66 Storms sogenannter Provinzialismus war nicht schon deshalb anti-modern, weil er Kritik an seiner Gegenwart war. Storm war auch nicht nur Mann der Feder „in besonderen Weihestunden" - wie Necker das sah -, mochte er auch weniger zu Papier bringen als sein Berliner Kollege, der, geprägt durch das journalistische Handwerk, wenn es nottat, schnell zu produzieren vermochte. 66 a Beide aber waren im Grunde ihres Wesens unermüdliche Diener des Worts, des einen, richtigen Worts, das die Sache jeweils erheischte . 67 Manche scheinbar schwerwiegenden Unterschiede zwischen ihnen verlieren aus dem Abstand der Jahrzehnte an Bedeutung. Vermehrt interessant erscheint nunmehr, was Fontane und Storm nicht trennt, sondern verbindet.
2. Roman und Regionalismus
„(...) sein Ideal war die schleswigsche Heide mit den roten Erikabüscheln, mein Ideal war die Heide von Culloden mit den Gräbern der Camerons und Mac lntosh", fährt Fontane nach der Gegenüberstellung von London-Brücke und Deich in seiner Beschreibung fort . 68 Das hat er gewiß jahre- und jahrzehntelang so empfunden, aber in der Realität wurden der Dichter und seine lyrisch-balladeske und epi-