Vom Dichter Fontane („Namen deutlich aussprechen! Danach die Verbeugung!") erfuhren wir fast nichts. So erging es aber auch den Dichtem Uhland, Fallersleben, C.F.Meyer und Liliencron - Warenzeichen wie „Sütterlin" oder „Syndetikon". Deutschunterricht...
Inzwischen marschierten die zwölf Jahre durch, vor denen „Sergeant Grischa", „Der Untertan", „Pelle der Eroberer" und ähnlich heikle Bücher aus Vaters Regal („Ich muß Platz für andere machen ...") in den Kohlenkeller hinter Brikettstapel entweichen mußten, während ich von wohlmeinenden, im Weltkrieg verwitweten Tanten zur Konfirmation „Mit 17 Jahren vor Verdun", „Die Gruppe Bosemüller" und „Mein Weg nach Scapa Flow" bekam - denen ich nicht widerstand. Allerdings führte mich der Weg im Sommer 1943 wegen der Luftangriffe auf Berlin nach Altruppin und in das Neuruppiner Friedrich Wilhelm- Gymnasium (Inschrift: „Den Bürgern des künftigen Zeitalters". Schwarze Beute-Kanone vor dem Hauptportal)
Rheinsberger Tor, Pfarrkirche, Löwen-Apotheke, Paradeplatz, Schinkel-Statue und Fontane-Denkmal, rings umher Ruppiner Schweiz und Rhinluch: Hätte mir der märkische Wanderer jetzt nicht begegnen sollen? Ach nein, erste Liebe und zweites „Ungenügend" auf dem Zeugnis ließen uns aneinander vorbeilaufen. Ich mußte Island-Sagas aus der Edda nacherzählen und übersetzte Caesars Latein in die Sprache der Wehrmachtsberichte. Kein germanistischer Studienrat tröstete mich mit der Geschichte, daß ein dreizehnjähriger Tertianer namens Theodor in diesem Bildungsinstitut 111 Jahre vor mir zwar ähnliche Schulnot erlitten habe, dann Apotheker, zuletzt aber noch ein vorzüglicher deutscher Schriftsteller geworden sei.
Am 8. Mai 1945 hieß es endlich: „Nach dem Sturm" ... Weil ich in zehn mageren Schuljahren nur Lesen und Schreiben gelernt, nach Arbeitsdienst, Soldaten- und Gefangenschaftswochen ein Tuberkulose-Rekonvaleszent, aber verlobt war, widmete ich mich im Nachkriegs-Berlin der Ausbildung zum Buchhändler. Ringsum türmten sich ja nicht nur Trümmer, sondern faszinierende Gebirgsmassive unbekannter Bücher auf. Wir brachten die im Keller verschwundene Literatur der Weimarer Zeit stapelweise wieder ans Tageslicht. Immer mehr Werke emigrierter deutscher Schriftsteller wurden greifbar. Ausländische Autoren aus vielen Ländern der Erde kamen erneut zu Wort. Wie Gustav in Jean Pauls Zauberbuch „Die unsichtbare Loge" stolperten wir, lesetraditionslos aufgewachsen, aus der Höhle unseres Unwissens ins verlockend Helle. Lesen! Gutes tun!
Zum vierten Male: Konnte Fontane jetzt aktuell sein? Im Literaturüberblick der Berufsfachschule fiel der Name Effi Briest in die Zeit der Währungsreform, der Blockade, der abendlichen Stromsperren - und fiel durch. Bei Kerzenlicht lasen wir im Freundeskreis Koestlers „Sonnenfinsternis" vor, diskutierten unter Jungbuchhändlern mit Eduard Claudius über „Grüne Oliven und nackte Berge" (hatten doch gerade Hemingway gelesen).
Als ich vierundzwanzig (Familienvater) und wieder in einer Lungenklinik war, Weihnachten 1952, schenkte mir mein Buchhandlungs-Chef ein kürzlich bei