Heft 
(1993) 55
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die Sollmann in extenso zitiert, aber nicht kommentiert. Das Literaturverzeich­nis listet die einschlägige Forschungsliteratur sowohl zu Fontane im allgemei­nen als auch zu Irrungen, Wirrungen im besonderen in guter Auswahl auf; allenfalls Jost SchillemeitsTheodor Fontane. Geist und Kunst seines Alters­werks" (Zürich 1961) hätte man noch nennen können.

Einige kleine Druckfehler stören den positiven Gesamteindruck der Studie kaum, manche geben gar zum Schmunzeln Anlaß, etwa, wenn aus einem Geheimrath" einGemeinrat" wird (S. 6), wenn Ernst Heilborn inHeil­bronn" umgetauft wird (ebd.) oder wenn in dem Zitat aus Fontanes Brief an Lazarus (nichtLazerus") vom 1. Juli 1891 von dem Bauern die Rede ist, der bebend" rasiert werden will (S. 86). Die Ermittlung der richtigen Version des Zitats bleibe den Lesern überlassen: als Anstoß, wieder einmal in Fontanes Briefen zu lesen.

Therese Wagner-Simon: Das Urbild von Theodor Fontanes L'Adultera. - Ber­lin: Stapp Verlag 1992.124 S.

(Rez.: Reinhard Rösler, Rostock)

Bekanntlich hat Theodor Fontane so manchen seiner Novellen- bzw. Roman­stoffe in der Berliner Gesellschaft seiner Zeit gefunden (aufs Finden überhaupt käme es an, meinte er, weniger aufs Erfinden). Auch für L'Adultera, 1880 erschienen, trifft das zu; recht ausführlich dokumentieren die großen Fontane- Ausgaben denFall" desUrbildes" der Melanie van der Straaten, der schönen Therese Ravene, geb. von Kusserow, die 1874 Mann und Kinder verließ und mit Gustav Simon eine neue Ehe einging - das Paar lebte fortan glücklich in Königsberg, wo die Familie Simon zu den angesehensten gehörte.

Nun hat der Berliner Stapp Verlag ein kleines, schön ausgestattetes Buch vorge­legt, das unser Wissen um die Stoffgeschichte von L'Adultera um so manche Facette erweitert. Reiz und Besonderheit dieser Arbeit liegen darin, daß ihre Verfasserin eine Enkelin Gustav und Therese Simons ist.

In der sehr persönlich gehaltenen Einleitung beschreibt Therese Wagner-Simon, wie sie ihre Haltung,nicht über meine Familie zu sprechen, da die Sippenfor­schung durch den Nationalsozialismus kompromittiert war" (S. 12), überwun­den hat und welche verschiedenen Anstöße und Anregungen dazu führten, daß sie sich schließlich doch mit der Geschichte der Familien Ravene und Simon ernsthaft zu befassen begann. Sie erzählt hier auch, daß sie auf H. Bud- juhns Buch über Elisabeth von Ardenne 1 aufmerksam gemacht worden sei und dann bei ihrer eigenen Arbeitauch immer wieder Seitenblicke auf Effi Briest, und deren reale Gestalt" (S. 16) geworfen habe. Zum Glück für ihr Buch ist sie nicht - wie Budjuhn - der Versuchung erlegen, Dokumentarisches und Fiktives miteinander zu vermischen und eine sozusagen romanhafte Biographie ihrer

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