Heft 
(1993) 55
Seite
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gewesen seien; insbesondere wird Therese Simon gegen den vermeintlichen Vorwurf verteidigt, sie seikokett" gewesen. Ein grundlegendes Mißverständ­nis der Autorin scheint mir darin zu liegen, daß sie in Fontanes Roman einen Schlüsselroman" (S. 10 und öfter) sieht. Über sogenannte Schlüsselromane und ihre Unterschiede zu wirklicher Literatur hat sich Thomas Mann überzeu­gend geäußert 4 ; einen solchen Roman hat Fontane nun ganz gewiß nicht schrei­ben wollen, und er hat ihn ja auch nicht geschrieben.

Trotz dieser kritischen Anmerkungen halte ich Therese Wagner-Simons Buch im ganzen für wichtig und anregend.

Viele Abbildungen (Familienfotos, Reproduktionen von Urkunden und Doku­menten, Gemäldereproduktionen) erhöhen die Anschaulichkeit der Darstel­lung. Leider wird das Gesamtbild durch Nachlässigkeiten (des Korrektors?) etwas getrübt (statt L'Adultera heißt es mehrfach L'Aldutera, auf S. 73 erfährt man, daß Gustav und Therese 1847 geheiratet hätten u.a.). Der Anhang ist nicht nur unter dem Aspekt der Stoffgeschichte sondern auch allgemein kul­turgeschichtlich von Interesse. Er enthält u.a. W. Keitels schon erwähnten Auf­satz, ein Verzeichnis der Gemälde der seinerzeit berühmten Ravenéschen Gale­rie und verschiedene Dokumente aus der Geschichte beider Familien. Auch das den Band beschließende Literaturverzeichnis macht deutlich, welches Maß an Arbeit Therese Wagner-Simon zu bewältigen hatte.

Anmerkungen

1 Horst Budjuhn: Fontane nannte sieEffi Briest". Das Leben der Elisabeth von Arden- ne. Berlin: Quadriga-Verlag Severin, 1985.

2 Vgl. zu Budjuhns Buch Bettina Pletts sehr kritische Rezension in: Fontane Blätter. Band 6, Heft 3 (Heft 41 der Gesamtreihe), S. 346-349.

3 Therese Wagner-Simon: Allwieder det lila.- In: Neue Zürcher Zeitung, 3.9.1972.

4 Thomas Mann: Bilse und ich (1906).- In: Thomas Mann: Gesammelte Werke. Berlin- Weimar 1965.- Band 11, S. 7-18.

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