gewesen seien; insbesondere wird Therese Simon gegen den vermeintlichen Vorwurf verteidigt, sie sei „kokett" gewesen. Ein grundlegendes Mißverständnis der Autorin scheint mir darin zu liegen, daß sie in Fontanes Roman einen „Schlüsselroman" (S. 10 und öfter) sieht. Über sogenannte Schlüsselromane und ihre Unterschiede zu wirklicher Literatur hat sich Thomas Mann überzeugend geäußert 4 ; einen solchen Roman hat Fontane nun ganz gewiß nicht schreiben wollen, und er hat ihn ja auch nicht geschrieben.
Trotz dieser kritischen Anmerkungen halte ich Therese Wagner-Simons Buch im ganzen für wichtig und anregend.
Viele Abbildungen (Familienfotos, Reproduktionen von Urkunden und Dokumenten, Gemäldereproduktionen) erhöhen die Anschaulichkeit der Darstellung. Leider wird das Gesamtbild durch Nachlässigkeiten (des Korrektors?) etwas getrübt (statt L'Adultera heißt es mehrfach L'Aldutera, auf S. 73 erfährt man, daß Gustav und Therese 1847 geheiratet hätten u.a.). Der Anhang ist nicht nur unter dem Aspekt der Stoffgeschichte sondern auch allgemein kulturgeschichtlich von Interesse. Er enthält u.a. W. Keitels schon erwähnten Aufsatz, ein Verzeichnis der Gemälde der seinerzeit berühmten Ravenéschen Galerie und verschiedene Dokumente aus der Geschichte beider Familien. Auch das den Band beschließende Literaturverzeichnis macht deutlich, welches Maß an Arbeit Therese Wagner-Simon zu bewältigen hatte.
Anmerkungen
1 Horst Budjuhn: Fontane nannte sie „Effi Briest". Das Leben der Elisabeth von Arden- ne. Berlin: Quadriga-Verlag Severin, 1985.
2 Vgl. zu Budjuhns Buch Bettina Pletts sehr kritische Rezension in: Fontane Blätter. Band 6, Heft 3 (Heft 41 der Gesamtreihe), S. 346-349.
3 Therese Wagner-Simon: Allwieder det lila.- In: Neue Zürcher Zeitung, 3.9.1972.
4 Thomas Mann: Bilse und ich (1906).- In: Thomas Mann: Gesammelte Werke. Berlin- Weimar 1965.- Band 11, S. 7-18.
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