der Klassik ist offensichtlich von positiver, schöpferischer Subjektivität geprägt. In dem Moment, in dem „die Balance zwischen positiver und negativer Subjektivität" (285) zugunsten entfremdeter ökonomischer Verhältnisse kippt, besteht entweder, wie im „Programm-Realismus", die Gefahr schriftstellerischer Pseudoaktitivät, oder es entsteht schließlich der subjektiv entleerte, verdinglichte Anti-Roman. Gottfried Keller und vor allem Theodor Fontane verkörpern eine Prosa, die in schöpferischem Widerspruch zur wachsenden Entbürgerlichung der bürgerlichen Wirklichkeit noch von echter Poesie erfüllt ist.
Als ästhetische Prämisse von „Poesie der Prosa" und „Prosa als Poesie" fungiert Hegels Roman-Definition aus dessen „Ästhetik". Leitmotivisch kehren die Kernsätze des Philosophen wieder: „Der Roman im modernen Sinne setzt eine bereits zur Prosa geordnete Wirklichkeit voraus, auf deren Boden er sodann in seinem Kreise - sowohl in Rücksicht auf die Lebendigkeit der Begebnisse als auch in betreff der Individuen und ihres Schicksals - der Poesie, soweit es bei dieser Voraussetzung möglich ist, ihr verlorenes Recht wieder erringt." 1 Im Anschluß an Hegel achtet Fues vor allem darauf, daß sich die „Prosa als Poesie" aus der Realität, aus der Mitte der prosaisch gewordenen Wirklichkeit entwickelt und nicht aus insularen „grünen Stellen" zusätzlich aufgesetzt ist. Der „Programm-Realismus" ist ihm suspekt, weil er sich der Wirklichkeit im Grunde verweigert und sie unter dem Aspekte der Wünschbarkeit sieht. Die Auseinandersetzung mit der pragmatisch bedingten verklärenden Umbildung Hegels durch Julian Schmidt und Friedrich Theodor Vischer, durch Otto Ludwig und schließlich durch Friedrich Spielhagen beherrscht den Mittelteil des Buches. Sie wird sogar auch dort geführt, wo nicht unmittelbar vom sog. „poetischen Realismus" die Rede ist.
Der Roman an sich ist für Fues - auch dies gehört zu den Konstituanten des Buches - eine höchst elastische literarische Form, die in ihrer Aufnahmefähigkeit für komplizierten Wirklichkeitsstoff und in ihrer Schmiegsamkeit an Wirklichkeitsgehalte dem Drama überlegen sei. Damit bestätigt der Autor indirekt die Notwendigkeit der Episierung des modernen Dramas.
Nachdem sich Fues vorwiegend mit der Entwicklung von Romantheorien befaßt hat, wendet er sich im letzten Kapitel drei „Poeten des Realismus" zu: Adalbert Stifter, Gottfried Keller und Theodor Fontane. Auch in diesen Fällen geht er von theoretischen Aussagen der Schriftsteller über den Roman aus, um sie mit der Romanpraxis der Autoren allgemein, ohne konkrete Bezugnahme auf einzelne Werke, zu vergleichen.
Stifters ästhetisch-programmatische Äußerungen wie das Vorwort zu den „Bunten Steinen" oder die Reden Riesachs im „Nachsommer" seien „steif eklektisch, unbeholfen arrangiert..." (215). Hier spreche einer „mit geborgten Stimmen" (216). Sie würden durch die radikale erzählerische Praxis widerlegt, die durch Auslöschung des subjektiv Individuellen und bloße Zeichenhaftig- keit der Figuren gekennzeichnet sei. Mit Stifters „Demütigung" des Menschen (217) sei bereits eine Endstation des Romans erreicht.
An Keller wird die Übereinstimmung von ästhetischer Reflexion und künstlerischer Gestaltung hervorgehoben. Dem Bestreben, „das Notwendige und Ein-