Heft 
(1993) 55
Seite
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nach der Jahrhundertwende, datiert - ein nicht gering zu schätzender Vorzug im Vergleich zum Potsdam-Band; des weiteren Geschichten bedeutender Bewohner der Stadt. Neben den bereits erwähnten Persönlichkeiten wird von dem Kaufmann Alexander Gentz berichtet, von seinem Bemühen um Gentzro- de und den Tempelgarten mit seinen Bauten und unschätzbar wertvollen Anpflanzungen, von der Buchbinderfamilie Kühn, aus der besonders Gustav Kühn mit seiner Bilderbogen-Produktion zu einiger Berühmtheit gelangte, und von Oberst Wulffen, dem Kommandeur des Infanterie-Regiments zwischen 1834 und 1838, der den Grundstein für ein Bollwerk am Ruppiner See legen ließ, einer Vorstufe zu einem richtigen Binnenhafen, das dem Handel und Ver­kehr, später auch dem Ausflugsverkehr und Tourismus überaus förderlich war. Die Traditionen der Turner-, Ruder- und Radsportvereine leben in diesem Buch wieder auf, vonOriginalen" wieOnkel Jenge" ist die Rede, von kulturellen Impulsen aus dem ortsansässigen Regiment für die Stadt und ihre Bewohner und von einem Gymnasium, das trotz nachhaltiger Proteste des Staates seit 1812 als kommunale Einrichtung besteht.

Bei allem bemerkenswerten Bemühen um Text und Bildmaterial ist die Aus­wahl nicht immer stimmig, die Wiederholung gleicher Bildmotive erweist sich vereinzelt als problematisch, ebenso die mangelhafte Bildqualität in einigen Fällen. Inhaltliche Brüche weisen die letzten Seiten des Buches auf. Der bis dahin schlaglichtartige Wechsel der Themen, meist von Seite zu Seite, sorgt in weiten Teilen für Abwechslung und Kurzweil beim Lesen und Betrachten. Die Ruppiner Schweiz und mit Neuruppin in enger Beziehung stehende Ortschaf­ten am Ende des Bandes liest man jedoch eher als Anhang denn als Abschluß. Der Stadtplan von Neuruppin ohne Bildunterschrift bzw. Datierung stört das genußvolle Schließen des Buches, hier ist der Verlag von dem traditionellen Schutzumschlag mit Stadtplan abgewichen, was als Verlust zu vermerken ist. Überhaupt beeinträchtigen gestalterische Mängel den Gesamteindruck, beson­ders im letzten Drittel. Die Textspalten sind teilweise unübersichtlich in das Bildmaterial eingefügt oder sie harmonieren nicht mit der Größe bzw. dem gewählten Ausschnitt oder Format der Bilder. Die Anordnung der Bildunter­schriften ist für den Leser auf einigen Seiten verwirrend, was sowohl den Lese­fluß als auch die ungehinderte, harmonische Betrachtung der Abbildungen und Fotos schmälert.

Resümierend kann man diesen Bildband als historische Stadtansicht und -beschreibung guten Gewissens empfehlen: Bild und Text lassen Akribie und Liebe zum Detail erkennen. Für die Neuruppiner von heute ist so manches fast vergessene Kleinod neu zu entdecken, sensibilisiert für das Gewesene; den Ortsfremden macht der Band neugierig, was von dem Flair der Kleinstadt noch wiederzufinden ist, was sich seitdem verändert hat. Kurz: Neuruppin ist mehr als Fontane.

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