Der Tunnel, von Fanny Lewald bereits zu Anfang ihres Londoner Aufenthaltes in einer Liste der Hauptsehenswürdigkeiten der Metropole aufgeführt, 18 gilt ihr nicht nur als technische Meisterleistung. An ihm will sie demonstrieren, wozu eine Nation fähig ist, wenn sie nicht von einem Monarchen am Gängelband geführt wird.
c) Max Schlesingers Verbeugung vor dem „großen Werk der britischen Nation"
Fanny Lewalds Beschreibung und politische Vereinnahmung des Tunnels datiert vom 3. Juni 1850. Nur rund zwei Jahre später instrumentalisiert Max Schlesinger das Bauwerk in ähnlicher Weise, indem er es für den Kampf gegen die in Preußen andauernde Reaktion nutzbar macht. Am Tower vorbeifahrend, läßt er sein Boot kurz darauf anlegen, um sich den „berühmten Themsetunnel" näher anzusehen. Schlesinger unterrichtet seine Leser ausführlich über Geschichte und Umfang des Projekts, vor allem auch über die damit verbundenen Schwierigkeiten. 19
Max Schlesinger war nicht irgendein Reisender, sondern Kopf eines gegen die deutsche Restaurationspolitik Front machenden Londoner Nachrichtenbüros; jenes Nachrichtenbüros, dessen Berichte so großes Mißfallen bei der preußischen Regierung erregten, daß diese Fontane nach London sandte, um mit einer neuzugründenden „Deutsch-Englischen Korrespondenz" dem nach Deutschland fließenden liberalen Gedankengut konservative Propaganda entgegenzusetzen. Wie seine Berichte zu aktuellen Ereignissen waren auch Schlesingers „Wanderungen durch London" voller Spitzen gegen den kleinstaatlichen deutschen Feudalismus. Seine Bewertung des Tunnels ist dafür ein Beispiel.
Schlesinger meint nur vordergründig den Themse-Tunnel und spielt eigentlich auf die deutsche Revolution von 1848 an, wenn er formuliert:
„... dem Engländer bleibt der Stolz zu sagen: Wir führen durch was wir angefangen; kein großes Werk bleibt inmitten der britischen Nation aus Mangel an Hilfe unvollendet..." 20
5. War Fontane im Tunnel?
Eindeutige Antwort: Ja, und zwar während der ersten Englandreise vom 25. Mai bis 10. Juni 1844. Keine ausführliche, aber eine kurze Beschreibung des Themse-Tunnels hat Fontane in „Von Zwanzig bis Dreißig" vorgenommen. Sie läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und wird, wie viele seiner Erinnerungen in diesem Buch, durch kühle Altersdistanz bestimmt:
„Das erste (was er und sein Freund Scherz in London besichtigten; S.N.) war der Tunnel. Er bereitete mir eine große Enttäuschung. Ein so kühn gedachtes und auch ausgeführtes Unternehmen dieser unter das Flußbett getriebene Stollen war, so machte derselbe doch unmittelbar bloß den Eindruck, als schritte man durch einen etwas verlängerten Festungs-Torweg. Großen Ein-