Schlösser oder an „Die Brück am Tay". In dem Ende 1879 entstandenen Gedicht über den Zusammenbruch der Tay-Brücke finden sich zwei Zeilen, die vielleicht am deutlichsten Fontanes Auffassung gegenüber technischen Bauwerken auf einen Nenner bringen:
„'Tand, Tand,
Ist das Gebilde von Menschenhand!'" 32
Dieser Ausspruch der im Gedicht auftretenden Hexen oder Naturgeister wird durch den Kollaps der Brücke auf tragische Weise unterstrichen. Zugführer Johnie wird nicht Recht behalten mit seiner Behauptung, er schaffe es trotz des Sturms, die Brücke zu überqueren:
„'Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,
Die bleiben Sieger in solchem Kampf,
Und wie's auch rast und ringt und rennt,
Wir kriegen es unter: das Element.'"
Johnie muß sterben, weil er die technischen Leistungen der Menschen überschätzt. Seiner Verblendung (und der aller anderen Beteiligten) ist es zuzuschreiben, daß die Brücke den Zug mit in die Tiefe reißt und zahlreiche Menschen umkommen.
Natürlich läßt sich aus Fontanes Gedicht nur bedingt eine technikkritische Tendenz ableiten bzw. auf seine Einstellung gegenüber einem anderen technischen Meisterwerk, dem Themse-Tunnel, schließen. Doch interpretiert man die zu Anfang dieses Artikels zitierte Stelle aus dem „Stechlin", dann wird man feststellen können, daß Fontane den Tunnel ähnlich kritisch beurteilt haben dürfte - und in ihm nicht das von Pückler, Lewald und Schlesinger glorifizierte Jahrhundertbauwerk sah.
Im „Stechlin" singt das Loblied auf den Tunnel der zwielichtige Superintendent Koseleger, den Dubslav ebenso kurz wie treffend so charakterisiert: „'Er ist wie 'ne Baisertorte, süß, aber ungesund."' Und zu Koselegers Ambitionen meint Dubslav: „'Alles bloß Eitelkeit und Größenwahn.'" 33 Koselegers charakterliches Defizit besteht darin, nicht mit dem Platz, auf den er gestellt wurde, zufrieden zu sein, sondern hoch hinaus zu wollen. Er hat keinen Sinn für Tradition und ergreift somit, im Lichte des vom Roman beabsichtigten Ausgleichs zwischen Alt und Neu betrachtet, zu einseitig für das Neue Partei. Sein Lob für das damals als Land des Fortschritts geltende England legt hiervon Zeugnis ab; im Gegensatz zum eigenen Land sei auf der anderen Seite des Ärmelkanals l les „ein Produkt der Zivilisation".
Als Beispiel führt „der für alles Fremde schwärmende Koseleger" (ein aufschlußreicher Erzählerkommentar!) an: Eine Herzogin habe die überhöhte Forderung et iner „plastischen Künstlerin " begleichen müssen, weil letztere sich vor Gerich damit verteidigt habe, sie leiste „beautifying for ever". Eine witzige Episode, die Koseleger aber als lächerliche Figur bloßstellt, weil dieser in dem Gerichtsurteil eine tiefere „gesellschaftliche Verfeinerung" am Werke sieht. 34 Koselegers konservative Gegenspielerin, die zu sehr am Alten hängt, ist Adel-