heid. Ihre Schimpfrede auf das britische Königreich ist freilich noch lächerlicher als Koselegers Einlassungen, z.B. wenn sie formuliert:
„'Und wenn es dann neblig ist, dann kriegen sie das, was sie den Spleen nennen, und fallen zu Hunderten ins Wasser, und keiner weiß, wo sie geblieben sind5 . ' "3
Die vom Erzähler favorisierte Position ist eine mittlere. Sie wird eingenommen von Lorenzen, der die positiven wie negativen Seiten des britischen Fortschritts sieht, der einerseits für die Briten „schwärmte", andererseits den Zustand bedingungslosen Schwärmens hinter sich gelassen hat und die Nachteile des „Kults vor dem goldenen Kalbe" erkennt . 36
Bereits an diesem kleinen, scheinbar unwichtigen Motiv des Themse-Tunnels wird offenbar, daß ein gängiger, von Georg Lukács griffig formulierter Vorwurf an den „alten Fontane", „die Kräfte der Erneuerung" lägen „völlig außerhalb seines dichterischen Horizontes", keineswegs zutrifft . 37 Fontane lehnt Erneuerung bzw. Fortschritt keineswegs ab, er macht nur auf dessen Grenzen aufmerksam, zeigt die damit verbundenen Gefahren. Anders formuliert: Eine technische Errungenschaft ist weder gut noch schlecht, es kommt darauf an, wie der Mensch mit ihr umgeht . 38
Wie gezeigt, charakterisiert Fontane manche seiner Figuren, indem er sie ihre Einstellung zum Fortschritt oder zu dem Land des Fortschritts (England) aussprechen läßt. Nicht nur Koseleger, sondern noch eine andere Romanfigur wird auf diese Weise mit einem Tunnel in Verbindung gebracht: Melusine. Ihre folgende Bemerkung läßt ebenfalls Schlüsse zu:
„'Interesse hat doch immer nur das Vabanque: Torpedoboote, Tunnel unter dem Meere, Luftballons .'" 39
Melusine erkennt zwar, daß es sich bei technischen Errungenschaften um ein „Vabanque"-Spiel handelt. Daß sie die damit verbundenen Gefahren aber nicht wahrzunehmen scheint (wohin das führen kann, hat das Beispiel des Zugführers Johnie aus „Die Brück am Tay" bereits gezeigt), entlarvt ihren partiell oberflächlichen Charakter. Die von ihr gewählten Beispiele bunt zusammengewürfelter, noch nicht vorhandener „Segnungen" des Fortschritts demonstrieren ihren Übermut.
Ebenfalls ist es ein Zeichen von Oberflächlichkeit, daß Melusine an dieser Stelle eines Gesprächs zwischen ihr, Gräfin Berchtesgaden und Woldemar wenig Interesse für den Gesprächsgegenstand Pastor Lorenzen aufzubringen vermag- Ohne ihn zu kennen, macht Melusine sich über Lorenzen lustig, tut ihn als „Säulenheiligen" ab . 40 Erst am Ende des Gesprächs gewinnt Melusines liebenswürdige Natur wieder die Oberhand. Sie anerkennt Lorenzens Streben nach mehr Mitmenschlichkeit, das in der Person des portugiesischen Joao de Deus verkörpert wird: „'Das ist schön .'" 41
Einerseits ist Melusine verständnisvoll und hilfsbereit, andererseits ist sie impulsiv, redet und handelt unüberlegt. Von letzterem legt noch ein weiterer Tunnel Zeugnis ab, den sie auf ihrer Hochzeitsreise durchquert hat, nach ihrer -