Michael Masanetz, Leipzig
„In Splitter fällt der Erdenball / Einst gleich dem Glück von Edenhall" 1
Fontanes „Unwiederbringlich" - das Weltuntergangsspiel eines postmodernen Realisten (Teil 2)
Ganze dreizehn Druckseiten nimmt der Ausgang des Romans bis zum tödlichen Finale in Anspruch: drei Kapitel, die sinnfällig semantische Symmetrie zu den neun gleichfalls auf Angeln spielenden Eingangsabschnitten herstellen. „Das Ende ist nur die grausame Erfüllung dessen, was schon zu Beginn gegeben war...,, 2 . Gemäß unserer Auffassung des Textes als eines analytischen „Dramas" (vgl. FBL 52/1991) sehen wir - anders als L. Voss - das Verweisungssystem des Werkes in doppeltem Dienste stehen. Es deutet nicht lediglich voraus, sondern - beinahe in erster Linie - auf ein Geschehen vor der eigentlichen Handlungszeit. Diskrete Aufklärungsarbeit enthüllt so die Ursache jener immer schon besiegelten Katastrophe, in deren Verlauf die Eskapade des Grafen Holk - ganz gegen den Augenschein - geradezu als retardierendes Moment fungiert. Erst die zweite Hochzeit des Paares führt zum Ziel, dem Untergang der Heldin, das mit dem Vollzug der ersten Trauung bereits anvisiert wurde. Beide Eheschließungen finden ausgerechnet am Johannistag statt (254), der doch als ausgesprochener Unglückstag gilt, von dem jeder in den Völksaber- glauben Eingeweihte weiß: „nixe fordern Johannis ihr opfer" 3 ,- ein Wasseropfer selbstverständlich. An jenem 24. Juni des Jahres 1861 setzt sich nicht lange nach dem zwölften Glockenschlag, also wieder zur mittäglichen Geisterstunde, der Festzug vom „Schloß am Meere" aus zur Holkebyer Dorfkirche hin in Bewegung. Diesen Hochzeitszug hatte Christine einst sich im Traum verwandeln sehen in einen Trauerzug (67); und wie Sperata, die unglückliche Mutter der inzestgezeugten Mignon auf ihrer Beerdigung, wird auch die Gräfin Holk von den Dorfbewohnern zur „Heiligen" gemacht (253). Die Mutter Adam Estrids, des Mignon von Holkenäs 4 , trägt allerdings das Stigma jener Zweideutigkeit, die im Worte „sacer" webt: „geheiligt/einer unterirdischen Gottheit zur Vernichtung geweiht/verflucht". 5 So legt dann auch Holks Kopenhagener Dienstherrin - im Entwurf - hinsichtlich Christines eine entschiedene Skepsis an den Tag:
„Die Gräfin soll eine Heilige sein, man kennt das schon. Und wenn, wenn wirklich, ich glaube nicht an solche Wirklichkeiten, dann muß sie glücklich sein, all die heiligen Qualitäten zeigen und sich mit Martyrium und Entsagen und etwas protestantischen Klostertum antun zu können ." 6
Zur lichten Heiligen ist Christine in der Tat ungeeignet, die Huldigung der Bauerntöchter bereitet ihr „mehr Pein als Freude", denn das „Unterirdische" wartet schon auf sie. Auf dem Weg zur Trauung kommt die Gesellschaft an der Kirchhofsmauer vorbei, und der Erzähler versäumt es nicht, an Asta und Elisa-