beths Spukerlebnis zu erinnern, welches ja auf das - unsretwegen in der Nachfolge der „Wahlverwandtschaften" oder der „Frau vom Meere" auch „übersinnlich" - Sündhafte bei der Zeugung Adams hinweist 7 , den tiefsten Grund von Christines Unglück, die inzestuöse Fixierung an den Bruder- Vater. Man überquert den Friedhof, „den man um diese Zeit am besten gar nicht betritt" 8 , weil hier der Teufel als Mittagsdämon umgeht, passiert die verfallende Familiengruft, die „Stelle, wo es liegt", um schließlich in die Kirche einzutreten, - die in anderen Breiten aus Dämonenfurcht mittags geschlossen gehalten wird. „Da stand Petersen... grad und aufrecht wie vor neunzehn Jahren, als er auch an einem Johannistage, die Hände beider ineinandergelegt hatte." Es schließt sich der Kreis. Nichts kann beim zweiten Versuch gut werden, wenn schon der erste im Tageszeichen des Unheils stand . 9
Fontane greift in Unwiederbringlich eine Tradition auf, die bis „König Oidipus" zurückreicht und etwa über Schillers „Braut von Messina" bis zu den Modernen, zu Ibsen und Hauptmann führt. Der Roman entsteht in den Jahren, in welchen sein Autor mit seltener Intensität die Stücke des Norwegers bespricht und den Dichter von „Vor Sonnenaufgang" als die „Erfüllung" Ibsens preist ; 10 Unwiederbringlich ist für uns die Antwort Fontanes auf die Moderne im Sinne ihrer postmodernen Überbietung. Wie Ibsen, Hauptmann und Wagner greift er auf die Menschheitsthemen des klassischen Dramas, auf Schuld und Verhängnis durch Ehebruch und Inzest zurück. Gerade weil aber das Inzestmotiv zu den mächtigsten Obsessionen Fontanes zu rechnen ist - Geschwisterliebe hieß sein erster Prosatext, und eine Freudsche Fehlleistung läßt ihn noch am Ende seiner Tage diesen Titel dem Stormschen Inzest-Gedicht „Geschwisterblut" zuschreiben 11 - gehört es in den Werken kaum zum „Gesagten" der Oberfläche, oft jedoch zum „Gemeinten" der Tiefenschicht, zu der gelegentlich von jener harmlos-beiläufige „Einstiege" hinabführen, getarnt durch Evidenz.
Ah, sahst du die zwei Schwalben? Es war als, als haschten sie sich und spielten
miteinander. Vielleicht sind es Geschwister, oder vielleicht ein Pärchen. Oder
beides.
Die Schwalben nehmen es nicht so genau. Sie sind nicht so diffizil in diesen
Dingen . 12
Die Tarnung besteht hier in Cécile auch aus der - von der Fabel her gesehenen - Abwegigkeit des Gesprächs. Der scheinbaren freilich, denn uns eröffnet sich darin durchaus ein Weg zum Mittelpunkt des Romans, zumal der ornithologi- schen Bilder bei Fontane im einschlägigen Zusammenhang noch mehr sind.
Die Naturalisten hatten das Inzestthema aus den poetischen Nischen des Privat-Pikanten heraus- und von den Höhen des „Allgemein-Menschlichen heruntergeholt und es neben Alkoholismus, Geschlechtskrankheiten etc. zu den Emblemen einer durch Vererbung degenerierenden Welt des Alten geschlagen. Fontane, der seit Vor dem Sturm des öfteren die Degenerationserscheinungen der Adelsinzucht spöttisch reflektiert, behält sich doch vor, die individual- und menschheitsgeschichtliche Dimension von Inzest, Inzesttabu und Tabuübertretung nicht vorschnell unter eugenischem oder volkshygienischem