Heft 
(1993) 56
Seite
86
Einzelbild herunterladen

Katastrophe vorausgeht" (48, Hervorhebung - d. Verf.). DieserTon" aber gehört dem dionysischen Pentz und seiner von Aphrodite beherrschten Kopenha- gener Welt wesensmäßig an; woher stammt also die Erfahrung der Gräfin, - die der Autor mittels des in diesem Kontext ungebräuchlichen Modalpartikels fast" eher betont, als daß er sie wieder negiert? (Denn fürErfahrung" gibt es zwischen Haben und Nicht-Haben kein Drittes.)

Das zunächst recht durchsichtige Spiel mit dem vom Tannenbaum gefallenen Wachsengel:Ein gefallener Engel; es geschehen Zeichen und Wunder. Wer es wohl sein mag? - 'Ich nicht, lachte Ebba'" -, gilt dieser in der Tat nicht. Es beginnt während eines Plädoyers der Schwedin für die offen gelebte Sünde, dessen Angriffsziel niemand anderes als die Gräfin ist.

'Großer Stil! Bah, ich weiß wohl, die Menschen sollen tugendhaft sein, aber sie sind es nicht, und da, wo man sich drin ergibt, sieht es im ganzen genommen besser aus als da, wo man die Moral blos zur Schau stellt. Leichtes Leben ver­dirbt die Sitten, aber die Tugendkomödie verdirbt den ganzen Menschen.'" (179f.)

Und als sie so sprach", llt die Wachsfigur... Chr istine ab er war - wie wir von der Dobschütz hören konnten - der Engel im Text (68). Und es gilt eben auch für sie, was Fontane an anderer Stelle zum Thema sagt:sie litt (ihrem Gatten unbekannt) an dem uralten Engelfehler: sie fiel. Und zwar ungewöhn­lich stark" 31 . Die Koppelung desAngelischen" an sein dämonisches Gegen­stück gemäß Genesis 6 - die Dämonen sind durch sexuellen Fehltritt gefalle­ne Himmlische bzw. deren Nachkommen - gehört zu den Konstanten in Fonta­nes Bild-Denken. Von hier aus läßt sich auch eine andereBlindstelle" des Tex­tes auf sinnvolle Weise deuten. Wie dieHexe" 32 Ebba ist Christine dem Dämo­nischen verfallen, beide sind das, was manbesessen" nennt. Die Gräfin jedoch unternimmt den radikalsten Versuch der Dämonenabwehr, der denkbar ist; - und er gelingt, wie derAusdruck (...) einer beinah heiteren Verklärung" (264) zeigt, mit dem die Tote gefunden wird. DasIns-Wasser-Gehen" der Heldin stellt die Extremform jener magischen Reinigungsrituale dar, mit denen von alters her die besonders im und am Wasser lauernden Sexualdämonen ausge­trieben wurden 33 . Holks Räsonement über Homöopathie gewinnt so überra­schend interpretatorisches Gewicht, ist doch Dämonenabwehr seit der Antike identisch mit homöopathischer Magie! Darauf spielt Holk geradezu gezielt an:Die Homöopathie hat so etwas Geheimnisvolles, Mystisches. Interessant genug und in ihrer Mystik eigentlich ein Thema für Christine" (18). Obgleich Schwarzkop­pen ins Rationalistische abzulenken versucht, läßt der Graf nicht locker und führt auch noch die Formel der homöopatischen Magie ins Feld:Und dann gibt es noch einen Satz 'Similia Similibus', worunter sich jeder denken kann, was er will"- Einer schon übermütigen Verspottung zukünftiger Interpreten der Spezies Common sense 34 kommt gar das Folgende gleich:Und mancher denkt sich gar nichts dabei, wohin wohl auch unser tierärztlicher Pfiffikus und Mann der Aufklärung gehören wird." Was sich dann lediglich wie eine Spitze gegen Christine anhört: Er gibt seine Streukügelchen und ist im übrigen, als Hauptsache, für Stallreinlichkeit und Marmorkrippen, und ich möchte sagen, die Tröge müssen so blank sein wie ein