ander. Der Schoßhund der Schwester weiblich reserviert, die Hündin des Bruders in drastischer Deutlichkeit. 38
Sollte das der Kuglerfreund und Anekdotenjäger Fontane nicht gewußt haben? Oder daß Friedrich sexuelle Verirrungen möglichst nicht vor die Gerichte kommen ließ und „in Fällen von Blutschande" gänzlich begnadigte? 39
- Der homoerotischen Neigungen zu geschweigen. Wir können ein Nicht-Wissen um diese Sachverhalte beim Autor mit ziemlicher Sicherheit ausschließen; damit kommt aber dem Aufrufen des vermeintlich tugendhaften großen Königs im Roman eine Funktion zu: die Verklammerung von Hohenzollernge- schichte mit der Geschichte des armen Holk. Und zwar im Gleichnis-Sinne wie im buchstäblichen. Dazu müssen wir weiter ausholen und uns zunächst die im zentralen Gespräch des zweiundzwanzigsten Kapitels - in dem alle Fäden des Textes zusammenlaufen - auch statthabende Verknüpfung der Holkschen mit der dänischen Geschichte näher ansehen.
Aber was heißt großer Stil? Großer Stil heißt soviel wie Vorbeigehen an allem, was die Menschen eigentlich interessiert. Christine Munk interessiert uns, und ihre Verstimmung interessiert uns, und was dieser Verstimmung an jenem denkwürdigen Abend folgte, das interessiert uns noch viel mehr.. ."(179)
Ebba rekurriert hier auf einen Parkspaziergang, der die kleine Gesellschaft auch vor einen Stein mit der Inschrift „Christian IV. 1628" geführt hatte, an den sich „eine kleine Geschichte" (173) knüpfte. Schleppegrell erzählt sie widerwillig
- und natürlich unvollständig - bei Tisch, und Holk erachtet sie - in Abwehr des für ihn Gleichnishaften - als „zu kleinen Stils" (177), dabei müßte er doch aus der Familienüberlieferung den intrikaten Berührungspunkt mit dem die Holks in den Grafenstand erhebenden Christian IV. kennen.
Der König ging mit Christine Munk, die seine Gemahlin war und auch wieder nicht war, etwas, das in unsrer Geschichte leider mehrfach vorkommt, im Schloßgarten spazieren (...) und der König war so gnädig und liebenswürdig wie nie zuvor. Aber Christine Munk, aus Gründen, die bis diesen Augenblick niemand weiß oder auch nur ahnen kann (...), schwieg in einem fort und sah so sauertöpfisch und griesgrämig drein, daß es eine große Verlegenheit gab. Und was das Schlimmste von der Sache war, diese Verstimmung Christinens hatte Dauer und war noch nicht vorüber, als der Abend herankam und der König in das Schlafgemach wollte. Da fand er die Tür verrriegelt und verschlossen (...) so beschloß der König diesen merkwürdigen Ausnahmetag zu verewigen und ließ Namen und Jahreszahl in den Stein einmeißeln, wo der rätselvolle eheliche Zwist seinen Anfang genommen hat. (176f.)
Der aufmerksame Leser vermag zwar nur auf ein wesentliches Moment der Holkschen Ehekrise - die Verweigerung der Frau - zu schließen, bleibt aber durch Schleppegrells Diskretion hinsichtlich der Christine-Figur weiterhin arglos. Christine Munk war keineswegs die „lauterste" unter den dänischen Mätressen, wie Fontane selbst (vor seiner Holberg-Lektüre) annimmt 40 . Bei