che Ratgeberin, sondern auch Frau, - und die Gräfin wurde denn bald „in die verfänglichste Verbindung" mit dem Kronprinzen gebracht. Andererseits galt die pietistische Amerikanerin, die in Wilhelm „all die atavistisch latenten Züge (...) neu belebte", als „gütiger Engel" und „Mutter der Armen"! Von besonderer politischer Pikanterie war der Umstand, daß die Gattin des Generalquartiermeisters ihren geistigen Einfluß auf Wilhelm über die christlich-soziale Bewegung des Hofpredigers Stöcker gewann. Diese Mischung aus christlichem Sozialismus, Nationalismus und Antisemitismus - im Walderseeschen Hause gleichsam zusammengebraut - hat Fontane bis in den Stechlin hinein lebhaft interessiert. Nicht zuletzt an die „Stöckerei" - einschließlich ihrer für Wilhelm möglicherweise erotischen Zugaben - muß Bismarck gedacht haben, als er ihn im Rückgriff auf den bei Fontane ausgesparten Friedrich Wilhelm II. charakterisiert. An dessen Erbe sei Kaiser Wilhelm „nach zwei Richtungen hin nicht unbeteiligt. Die eine ist die starke sexuelle Entwicklung, die andre eine gewisse Empfänglichkeit für mystische Einflüsse" 55 . - Der Alte in Friedrichsruh ahnte wie der Alte in Potsdamerstraße 134c, daß mit der Wiederkehr des genannten Erbes eine neue Zeit des Verhängnisses angebrochen war. Der Künstler jedoch betrachtet - aus seiner ästhetizistischen „Lust-am-Untergang"-Position heraus - die „Stöckerei" durchaus wohlwollend und stellte sie dem mit Rolf-Krake- Hautgout behafteten „Bebeltum" gleich 56 . Ganz gegen sein bewußtes Wollen untergrub also - in Fontanes Augen - das Handeln des Kaisers „Arm in Arm" mit den nur scheinbar entgegengesetzte Interessen vertretenden Sozialdemokraten die Grundlagen des Alten - um beim Urältesten wieder anzukommen, den archaischen Adam- und Eva-Zeiten...
Und etwas Krake-Geruch umschwebt auch das Verhältnis Wilhelm - Gräfin Waldersee, was uns wieder zu unserer Geschichte zurückführt. Als der Kronprinz die Tochter des zweimal von den Preußen um seine Erbansprüche auf Schleswig-Holstein betrogenen Friedrich (VIII.) Christian August, Herzog von Schleswig Holstein-Sonderburg-Augustenburg, heiratete, geriet er in eine pikante Doppelverwandtschaft mit Mary Waldersee. Sie wurde nun seine Großtante, wenngleich nur eine angeheiratete. Dem Onkel seines Schwiegervaters, Marys erstem Mann, der auch ein Augustenburger Prinz war, sollen angeblich die ausgedehnten Flitterwochen zur Todesursache geworden sein... 57
„Warum eigentlich 'Holk'"? - Der Hofmarschall und der König
Nicht diesen intrikaten „Doppelaspekt" wird Wilhelm im Blick gehabt haben, als er in Gravenstein erklärte, daß ihm „diese Provinz besonders deswegen nahe an dem Herzen steht, da in ihr zwei Dinge sich ereignet", die für sein Leben von besonderer Bedeutung seien. 58 Wenig später - in Glücksburg - nachdem er die Gemahlin "als das Band, das ihn mit der Provinz Schleswig-Holstein inniger als mit den übrigen (...) verbinde", bezeichnet hatte, erklärte er sie mit der ihm eigenen Emphase zum „Sinnbild sämtlicher Tugenden einer germanischen Fürstin". Es ist, als hörte man die Dobschütz von „deutschem Haus und deutscher Sitte" schwärmen... Wie steht es also mit der tugendhaften Auguste Victoria, der Protektorin des Evangelisch-Kirchlichen Hilfsvereins, welcher