es sich zum Ziel gesetzt hatte, den kirchlichen und sittlichen Notständen in den großen Städten entgegenzutreten. 59 Existiert auch in ihrem Leben jener dunkle Punkt, den wir für die „Heilige Elisabeth" von Holkenäs, die über das Großstadtbabel Kopenhagen wettert, und doch von ihrem eigenen Teufel nicht loskommt, anzunehmen gezwungen sind? Wäre dem so, - und wäre dabei die Familie Holk noch irgendwie mit im Spiel, hätten wir die „innigste Verbindung" des Textexternen mit dem internen Geschehen hergestellt, schlösse sich der Kreis unserer Argumentation.
Tatsächlich lebte im 18. Jahrhundert ein Holk, der in gewissem Sinne sogar sehr entscheidend in die Geschichte der Kaiserin verwickelt war. Friedrich Wilhelm Conrad Holk, Hofmarschall und engster Vertrauter des Dänenkönigs Christian VII, organisierte die Hoforgien, schleppte den bald unzurechnungsfähig Werdenden durch die Kopenhagener Kneipen und entfremdete ihn der jungen Königin Caroline Mathilde. Durch den von ihm selbst beim König eingeführten Arzt und Aufklärer Struensee wurde er nach und nach der Gunst des Königs verlustig: „und da Caroline Mathilde ihn als Feind betrachtete, war seine Stellung gefährdet, seit Struensee der Liebhaber der Königin geworden war" 60 . Holk ging zurück in die Herzogtümer, Caroline Mathilde aber - englische Prinzessin und Tochter eines Sachsen-Coburgers - zeugte mit dem machtbesessenen Reformer ein Töchterchen, in Hofkreisen „la petite Struensee" genannt. Diese spätere Augustenburger Herzogin Luise Augusta nun - war die Großmutter der deutschen Kaiserin, die also in direkter Linie von einer Ehebrecherin und einer „Illegitimen" abstammte! Bei der Bedeutung des Genealogischen in Unwiederbringlich wirft dieser Sachverhalt seinen Schatten selbst auf eine persönlich lautere Gestalt wie Auguste Victoria - und Holk wandelt in den Fußspuren seines Vorfahren, der ein Opfer revolutionär/verworfener Liebesbeziehung wurde. Zweimal findet Struensee im Roman Erwähnung: die erste verknüpft die Spielhandlung scherzhaft mit jener Zeit, die zweite verkündet - natürlich diskret - die Wirkungsmächtigkeit des „Struenseeschen" für die Zukunft. Helmuth Holk diente keineswegs bei einer auf dem Aussterbeetat stehenden Dame des ancien regime, das „Urbild" der Prinzessin Marie Eleanor des Romans, Luise Charlotte von Hessen-Kassel war: „Schwester Christian VIII. und Schwiegermutter des jetzt regierenden Christians IX., eine sehr kluge Frau, besorgte während der Regierungszeit Friedrich VII. einen Hauptteil der dänischen Politik (...) die Seele des Anti-Schleswigholsteinismus" (467, 473). Der scheinbar im Nichtstun dahinvegetierende Hof der alten Dame ist tatsächlich ein politisches Machtzentrum. Mag auch die hier ausgekochte Politik mit dem Blick auf 1864 eine des Niedergangs genannt werden, - langfristig stellte sie sich für Deutschland als verhängnisvoll heraus. Man beachte die in den Großmutterhänden zusammenlaufenden antipreußischen Kraftlinien: die zwei „petit-nièces , mit denen die Prinzessin eine historische Ausstellung besucht, sind realiter ihre Enkelinnen Alexandra und Dagmar (geb. 1844 und 1847), die späteren Ehefrau- e n Alexander III. von Rußland und Edward VII. von England. Sie repräsentie- ren gleichsam die nach Bismarcks Sturz beginnende - und schließlich dessen Lebenswerk vernichtende - Einkreisungspolitik der europäischen Mächte. Von Alexandra, die als Gegenspielerin Mary Waldersees dann aus ihrem Haß gegen