alles Deutsche keinen Hehl machen sollte, wird im Roman gesagt, daß sie „von dem Struensee-Porträt gar nicht loskonnte''. Ihr Edward aber hatte vom Struensee- schen wenigsten die Libertinage, was zu einem ständigen Verdruß seines „tugendhaften" Neffen Wilhelm II. führte, der - neben Krüger-Depesche und Flottenprogramm - zu „wachsender Entfremdung zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich" 61 beitrug. Der sich um 1890 schon abzeichnende Weltbrand 62 könnte also - in poetischer Übertreibung - als eine Art von Kriem- hilds Rache, als Verschwörung des ehemals besiegten Hauses Glücksburg gegen das Haus Augustenburg angesehen werden, in welches der Hohenzol- lernprinz ja gleich zweifach investiert hatte. - Fontane war in der Tat „fein raus", als er seinen Stoff nach Nordschleswig und Kopenhagen transponierte. Einst von Freunden aufgefordert, doch die Struensee-Geschichte zu gestalten, hatte er nur bedeutungsvoll geschwiegen 63 : seine Struenseegeschichte war längst im Kasten. Wie er die sündige Caroline Mathilde indes „umwertet", noch ehe sie in die delikate Verwandtschaftsbeziehung zur deutschen Kaiserfamilie geriet, - geht aus Vor dem Sturm hervor: „diese Königin Karoline Mathilde müßte heilig gesprochen werden" 64 . Man kann wohl sicher annehmen, daß auf der anderen Seite Struensee für den Tagträumer Fontane ein imaginäres „Vorbild" darstellte: des Emporkömmlings Familie stammte - welch ein Identifikationsangebot - aus Neuruppin!
In Trolles Reich. Holk und die Rosenberg
Der kleine Hofstaat Marie Eleanors befindet sich in Frederiksborg auf ehemals Trolleschem Besitz, und die Bilder der Seeschlacht, Herlufs und seiner glaubensfesten Gattin sind das einzige, was aus dem alten Gebäude in das Zauberschloß dänischer Könige „mit herübergenommen" wurde. Die ganze Schloßwelt steht in besonderer Beziehung zu jenem Admiral, der das Flaggschiff „makellos" in die Luft sprengen ließ. Und Schleppegrell ist - nicht nur als Bilderkustode - sein Prophet. Dessen Huldigungsgedicht an den „Freund Herluf Trolle" (165) sollte wirklich nicht als „müßiges Einsprengsel" abqualifiziert werden; gerade weil der Autor Fontane es für ohne „rechten Inhalt" erklärt, stellt sich die Frage nach der Funktion des Textes im Text. Zum einen ist er, der von Holk an Christine übersandt wird, als Voraus - deutung zu lesen: sowohl in Holkeby als auch in Herlufsholm dient jeweils derselbe Altar für die Hochzeits- und die Begräbnisfeierlichkeit! Die besondere Pointe für Holkeby wäre dabei die, daß schon die zweite Hochzeit eine Totenfeier darstellt, findet doch die Beerdigungszeremonie nicht am Altar, sondern gleich am frischen Grab (neben der alten Gruft) statt. - Zum anderen haben wir eine Art Totenbeschwörung in ihrem Doppelsinn von Heraufbeschwören und Bannen vor uns:
Hier aber, als Herluf Trolles Braut,/Stand ich mit ihm am Altäre. Vor demselben
Altar, auf selbem Stein,/Steh er wieder in aller Stille (...)
Seine Seel ist frei, seine Hüll ist hier (...) (167f.)
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