Heft 
(1994) 57
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Telegraph - sie sind ja auch moderner in ihrem Charakter. Dubslav erläu­tert hierzu:

'"Als Anno siebzig die Pariser Septemberrevolution ausbrach, wußte mans in Amerika drüben um ein paar Stunden früher, als die Revolution über­haupt da war. Es kann aber auch 'ne andre gewesen sein; sie haben da so viele, daß man sie leicht verwechselt'" (S. 28).

Selbst wenn man also - in Amerika wie im Schloß Stechlin - von Revolutio­nen erfährt, bedeutet das nicht, daß sie irgendwelche Auswirkungen auf das eigene Leben haben. Die humoristische Behandlung der Revoluti­onsthematik entschärft diese zusätzlich, läßt den Wert von Revolutionen als Mittel der gesellschaftlichen Veränderung als sehr zweifelhaft erschei­nen. Erst berücksichtigt Dubslav - absichtlich oder aus Ignoranz - nicht die Zeitverschiebung, dann witzelt er über die Anzahl der Revolutionen in Frankreich, damit deren Unwirksamkeit betonend.

Daß der See Stechlin kein Revolutionssymbol sein kann, zeigt sich auch darin, daß sich sonst die von der Revolution bedrohten Adeligen, also vor allem Dubslav, vor ihm fürchten müßten. Das ist aber keineswegs der Fall. Vielmehr betrachtet Dubslav den See als größte Sehenswürdigkeit der Gegend (S. 12,56 u.a.) und brüstet sich mit seinem Besitz:

"'Hab die Ehr, Ihnen hier die große Sehenswürdigkeit von Dorf und Schloß Stechlin zu präsentieren, unsern See, meinen See, wenn Sie mir das Wort gestatten wollen. Alle möglichen berühmten Naturforscher waren hier und haben sich höchst schmeichelhaft über den See geäußert'" (S. 275).

Der See - das wird spätestens an dieser Romanstelle deutlich, die schildert, wie Dubslav ihn den Barbyschen Damen zeigt - ist eine typisch dubslav- sche Sehenswürdigkeit. Der See scheint etwas zu sein, was er nicht ist, weckt Erwartungen, die er nicht erfüllen kann. Melusine äußert denn auch ihre Enttäuschung. Der schlitzohrige Dubslav schiebt das Versagen des Hahns auf den Winter. Doch auch bei freier Wasserfläche wäre nichts geschehen. Das ist bereits an einer früheren Stelle im Roman deutlich geworden, als Dubslav Woldemars Freunden Rex und Czako den See gezeigt hat:

"'...die Stelle, die, wenns sein muß, mit Java telephoniert.' - 'Ich gäbe was drum', sagte Czako, 'wenn Jetzt der Hahn zu krähen anfinge. - 'Diese klei­ne Aufmerksamkeit muß ich Ihnen leider schuldig bleiben und hab über­haupt da nach rechts hin nichts anderes mehr für Sie als die roten Zie­geldächer, die sich zwischen dem Waldrand und dem See wie auf einem Bollwerk hinziehen. Das ist Kolonie Globsow'" (S. 58).

Geschickt lenkt Dubslav das Interesse des Schauenden, bevor dieser seine Enttäuschung kundtun kann, von der - nicht zugefrorenen! - Wasserfläche auf die Kolonie, bietet als Ersatz für den roten Hahn die roten Zie-

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