Unter anderem fällt Rex darauf herein, zur . "Erheiterung " Dubslavs (S. 72) In der Forschung ist vermutet worden, die Aloe stehe für den Adel und das Wasserliesch für den Vierten Stand, das Aufsprießen des Wasserliesch weise auf eine kommende Revolution hin. 49 Der Revolutionsgedanke ist in diesem Zusammenhang abwegig; der Vorgang der Ablösung geschieht nach Naturgesetzen und daher sehr langsam. Irgendwann wird die Aloe ganz abgestorben sein und jeder Gast die Dominanz des Wasserlieschs erkennen, ohne daß in diesen evolutionären Prozeß eingegriffen wurde. Eher sollte man die Pflanzen im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel von einer elitären Adelsgesellschaft zu einer sozialen, nach Fähigkeiten auswählenden Staatsform sehen.
Dubslav pflegt solchen Scheincharakter (schon ein Argument gegen eine revolutionäre Bedeutung des Motivs), um sein provinzielles Dasein etwas aufzuwerten und interessanter erscheinen zu lassen, als es eigentlich ist. Dem entspricht auch sein erfolgreiches Bemühen, die wissenschaftliche Diskussion um das alte Wassermühlen-Modell (S. 288) oder die Gardedragoner-Wetterfahne (S. 286ff.) künstlich am Leben zu erhalten und so den Exponaten seines Museums mehr Bedeutung zu geben, als ihnen eigentlich zukommt.
8. Der Zusammenhang der Dinge
Daß es sich bei der See-Sage um einen Mythos handelt, bedeutet aber nicht, daß der "Zusammenhang der Dinge" auch ein Mythos wäre. Der wird immer noch durch den See symbolisiert, denn der Zusammenhang zwischen Provinz und Stadt, zwischen der Stechliner Gegend und dem Rest der Welt wird im Roman vielfältig thematisiert. Während Dubslav jedoch unverrückbar in seiner "Kate" sitzt und sich damit begnügt, ein einziges Mal während des Romans nach Berlin zu reisen, sammelt sein Nachfolger Woldemar ganz andere Erfahrungen. Weder der See noch Dubslav haben eine direkte Verbindung zur Welt, Woldemar hat sie. Er heiratet eine in England aufgewachsene Halb-Schweizerin, reist nach England und Italien. Seinem provinziellen Vater fehlt die Verbindung zur Außenwelt, dem großstädtischen Sozialdemokraten Torgelow fehlt die Verbindung zur Provinz. Woldemar hat beide. Erst mit ihm und Armgard kommt der von Dubslav nur vorgetäuschte Hauch der großen weiten Welt nach Dorf Stechlin. Dem jungen Paar gehört, nach Wille und Bestimmung des Romans, die unmittelbare Zukunft.
Als letzter Beleg hierfür sei der Romanaufbau angeführt. Der Roman beginnt in der Provinz, in der Stechliner Gegend. Mit Woldemar wird die erste reale Verbindung zur Außenwelt - in diesem Falle Berlin - hergestellt. Von da ab wechselt der Ort der Handlung beständig zwischen Stechlin und Berlin, portraitiert abwechselnd provinzielles und großstädtisches Leben. Während Dubslav nur einmal die Fahrt nach Berlin wagt (zur Hochzeit seines Sohnes), zeigt Woldemar größtmögliche Flexibilität. Er läßt in seinem Leben beidem, Provinz und Großstadt, einen gleich großen Stellenwert zukommen. Ganz abgesehen von seiner Englandreise, die, wie bereits erwähnt, bezeichnenderweise genau in der Romanmitte plaziert ist.