Vincent J. Günther hat - m. E. richtig - über eine solche Identifikation Fontanes und Dubslavs geurteilt: "Damit wird notwendig die Kunstfigur des Romans verfehlt" (siehe Anm. 3, S. 94). Und Joachim Müller hat bereits auf die "fragwürdige Repräsentation dieses altmärkischen Gutsbesitzes" und die "zahlreichen Widersprüche und Zwiespältigkeiten" in Dubslavs Charakter aufmerksam gemacht (siehe Anm. 10, S. 4 u. 9).
12 Vgl. Ulrike Tontsch: Der "Klassiker" Fontane. Ein Rezeptionsprozeß. Bonn 1977. (=Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft, Band 217.) S. 113.
13 Heute weiß man, daß diese unzulässige Identifikation von Autor und Romangestalt vor allem auf das zufällige Zusammentreffen von Fontanes Tod mit dem Erscheinen des Romans bzw. den darin enthaltenen, berühmt gewordenen Roman-Nachruf Lorenzens auf Dubslav zurückgeht, den man gleich auf Fontane selbst bezog. Kurz: "Die zeitgenössische Aufnahme des Romans steht im Schatten des Todes seines Autors. Nachruf und literarische Kritik verschmelzen zu einer teils wohlwollenden, teils enthusiastischen Würdigung der Gesamtpersönlichkeit..." Vgl. Hugo Aust (Hsrg.): Th. Fontane: Der Stechlin. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart 1978. (=Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9910/5.) S. 89.
14 So hat z.B. Ulrike Tontsch (siehe Anm. 12) gezeigt, daß Fontane vom Wilhelminischen Deutschland "zum repräsentativen Preußen" (S. 49), von den Nationalsozialisten zum Vertreter "gesunden Volkstums" (S. 55), in der Bundesrepublik zum "Demokraten" und in der DDR zum "Gesellschaftskritiker" (S. 92) gestempelt wurde. Und Heiko Strech hat eindrucksvoll durch die Aneinanderreihung von sich gänzlich widersprechenden Aussagen Fontanes belegt, "...daß der Autor abwechselnd konservatives und liberales Denken übt, der Kirche respektive den Konfessionen Protestantismus, Katholizismus oder Judentum wechselweise Daseinsberechtigung ab- und wieder zuspricht oder das Preußentum gegenüber England und Frankreich auf- und wieder abwertet. Man könnte weiterhin durch Verabsolutierung einzelner Briefstellen einen demokratischen, antipreußischen, pessimistischen, misanthropischen, antikirchlichen Fontane konstruieren, und mit gleichem Recht und Glück das Gegenteil tun" (siehe Anm. 10, S. 32). Strech ist allerdings inkonsequent, in seiner diesen Bemerkungen folgenden Interpretation des Stechlin bringt auch er Fontane-Aussagen mit ins Spiel, z.B. weist er auf "die Adelsvorliebe Fontanes" hin (S. 78).
15 Vgl. Walter Müller-Seidel: Th. Fontane: Soziale Romankunst in Deutschland. 2. durchges. Aufl. Stuttgart 1980. Zitat S. 434.
16 Walter Müller-Seidel (siehe Anm. 15), S. 442.
17 Vgl. z.B. Hans-Heinrich Reuter (siehe Anm. 11), S. 849: "Wesenlos und blaß, eine poetisch nicht mehr zu integrierende Allegorie, bleibt die Ehe zwischen Wolde- mar und Armgard..." Ähnlich urteilt Vincent J. Günther: "Aber man wird wohl sagen dürfen, daß diese Prägung ("Kraft des Herzens die Zukunft meistern" zu können; S.N.) in den Menschen der Zukunft, Armgard und Woldemar nur noch bedingt, wenn überhaupt, spürbar ist" (siehe Anm. 3, S. 112). Dieser Ansicht ist auch Charlotte Jolles, vgl. ihren Aufsatz: Der Stechlin. Fontanes Zaubersee. In: Hugo Aust (Hrsg.): Fontane aus heutiger Sicht. Analysen und Interpretationen seines Werks. Zehn Beiträge. München 1980. S. 239-257. In dem Aufsatz der verdienten Fontane-Forscherin, die sich hier vor allem mit der Verwandtschaft von Thomas Manns Werk mit dem Fontanes befaßt, heißt es u.a. zu Woldemar: "Die Wahl eines durchschnittlichen Menschen als Hauptfigur ist bezeichnend" (S.
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