Heft 
(1994) 57
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Peter Schaefer, Potsdam

Fontane-Tag der Humboldt-Universität zu Berlin 1994

Der Gastgeber, Prof. Peter Wruck, begrüßte auf der nun schon traditionel­len Veranstaltung die Gäste mit einem Satz aus der kürzlich erschienenen 4. Auflage des Metzler-Bändchens "Theodor Fontane" von Charlotte Jolles: "In einer Rezeptionsgeschichte werden die Wanderungen ein interessantes Kapitel abgeben." Seit über 20 Jahren habe sich an diesem Satz nichts geän­dert, und die Tagung wolle deshalb den Versuch unternehmen, dieses For­schungsdesiderat zu verringern. Der Erfolg der Veranstaltung war durch zweierlei beinahe vorprogrammiert. Zum einen ordnete sich das Thema in den laufenden Diskurs zum "mittleren" Fontane ein, ohne bereits Bekann­tes zu wiederholen, und zum anderen waren die Themen so vergeben wor­den, daß sie sich sehr glücklich ergänzen konnten.

Dr. Roland Berbig (Berlin) begann mit einem Fontane-Zitat als Titel: "... damit das Ganze als 'ein Ganzes erscheint". Er untersuchte die Rezeptions­steuerung der Wanderungen durch Fontane selbst. Die kopierten Materiali­en, die freundlicherweise den Gästen auch in diesem Jahr wieder zur Ver­fügung gestellt wurden, belegten seine These von der akribisch geplanten Strategie des "Wanderers", der bei der Verteilung von Rezensions- und sonstigen Freiexemplaren nichts dem Zufall überlassen wollte. Berbig kün­digte an, bei einer späteren Berücksichtigung einer noch umfassenderen Materialbasis weitere Details präsentieren zu können.

Jens Bisky (Berlin) sprach zur Verlagsgeschichte der Wanderungen durch die Mark Brandenburg bis 1945. Allein die bibliographischen Angaben wären schon interessant und eine wertvolle Materialgrundlage für eine zukünftige Rezeptionsgeschichte gewesen, doch begnügte sich Bisky nicht damit. Seine aufschlußreiche Analyse regt weitere Fragen an: bedienten die zahlreichen Auswahlausgaben eher ein damals bereits vorhandenes Fonta­ne-Bild oder prägten sie mit ihrer Konzentration auf die oftmals gleichen Ausschnitte dieses Fontane-Bild erst entscheidend mit?

Anschließend versuchte Lydia Richter (Hannover), die Verlagsgeschichte der Wanderungen- Ausgaben nach 1945 nachzuzeichnen. Die Bewertung mancher Ausgabe in der Zeit zweier deutscher Staaten machte den unter­schiedlichen Lese-und Erfahrungshorizont in Ost und West deutlich, Prof. Dr. Hubertus Fischer (Hannover) gab seinen anregenden Darlegun­gen den vieldeutigen Titel "Märkische Bilder". Er beschränkte seine Analy­se auf den Band Oderland und stellte diesen als gelungene Verbindung von historischer Gemälde-Schilderung und englischer romantischer Reiselitera- tur dar. Die Formel vom Wanderer Fontane als "historischem Landschaf- ter" faßt viele Überlegungen glücklich zusammen, müßte in ihrer allgemei­neren Gültigkeit jedoch an weiteren Bänden überprüft werden. D e r abschließende Beitrag von Prof. Dr. Peter Wruck (Berlin) widmete sich den die W an d erun g en in der Literatur der Gegenwart. Wruck machte Vielfalth- der u nter sc hi edlichsten Ansätze der diversen, gleichsam im Nac trh. Das ab der Fontane schen Wande rungen entstandenen Bücher deutlic

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