Entwicklung des Autors durch alle Drapierungen hindurch nachzuzeichnen. Was in Richters Kapitel der "Deutschen Literaturgeschichte", welches den Zeitraum 1849-1870 behandelte, schon anklang, wird 1987 in der Materialstudie 5 zu Fontane und Guido Weiß überzeugend nachgewiesen: Das Schicksal des Dichters als politischer Mensch erscheint gleichsam als kollektives Schicksal der "märkisch-preußischen Demokratie". Es gelingt Richter mit dieser Arbeit ein gewichtiger Beitrag zur Aufhellung des "konkret politischen Stellenwert(es) der vielzitierten kritischen Äußerungen Fontanes über das Wilhelminische Reich ... und seines späten Bekenntnisses zur Demokratie", das die radikale Position des Revolutionärs immer noch enthält. Bereits 1984 hatte er mit seiner Dokumentation über Wilhelm Bölsche und Fontane 6 , die auch unbekannte Briefe des Dichters an Karl Bölsche enthielt, ein sinnfälliges Beispiel für die "Kontinuität zwischen bürgerlichen Demokraten des Vormärz und der Revolution und der oppositionellen jungen Generation" der Kaiserzeit vorgeführt. Insgesamt ordnen sich die Fontane-Bemühungen Richters dem von ihm formulierten Ziel unter, ernst zu machen mit der "komplexen Analyse aller Wirklichkeitsbezüge und Wirkungsaspekte des Autors", um dessen eigentümliche weltanschaulich-ästhetische Modellierung der Wirklichkeit ergründen zu können. Eine Aufgabe, die erst seit etwa anderthalb Dezennien gegen den Widerstand der Großparaphraseure aller Couleur nach und nach einer Lösung näher kommt: und die auch künftig mit den gediegenen Wortmeldungen des Jubilars, der an dieser Stelle naturgemäß "nur" als Fontane-Mann gewürdigt werden sollte, rechnen kann.
Anmerkungen
1 Franz Kafka, Werk und Entwurf. Berlin 1962
Vgl. auch den Kafka-Artikel Richters in: Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts. Berlin 1988.
2 Der junge Fontane. Dichtung, Briefe, Publizistik. Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1969.
3 "Nahen einer neuen Zeit". Die frühe Publizistik Theodor Fontanes. In: NDL 12/1969, S. 94-104.
4 Ebd., S. 166-172.
5 Guido Weiß und Theodor Fontane. Demokratische Beiträge zur Wesensbestim- mung des Dichters. In: Theodor Fontane im literarischen Leben seiner Zeit. Mit einem Vorwort von Otfried Keiler, Berlin 1987, S. 337-378. Und (mit Materialien) FBI Bd. 6 (1987) H. 6, S. 606-644.
6 Theodor Fontane und Wilhelm Bölsche. Eine Dokumentation. In: FBI Bd. 5 (1984) H. 5, S. 387-412.
Die jüngste - sozusagen implizite - Zusammenfassung der Richterschen Positio- nen findet sich in der brillanten Kritik an Gerhard Friedrichs vom konservative n ! Zeitgeist zeugenden Buch "Fontanes preußische Welt" in FBI 1990, H. 49, S. 115- 123.