Kommentar
In der Aufbau-Ausgabe der „Gedichte" Fontanes ist die Überlieferungsgeschichte der einzelnen Ausgaben dokumentiert (Bd. 1, S. 413-440). Zusammenhänge, die zu den Veröffentlichungen führten, können wesentlich als geklärt gelten. Der vorliegende Brief reiht sich in seiner Intention in die Anstrengungen ein, die Fontane seit 1849 unternommen hatte, um seine Gedichte in eine der Publikation würdige Form zu bringen und für sie einen Verleger zu finden. Gegen den Datierungsmonat „Mai" spricht die Tatsache, daß Friedrich Eggers die Rückseite des Blattes nutzte, um unter dem Datum 5. April 1850 seinen Eltern zu schreiben. Da die vorangegangenen und folgenden Briefe ebenfalls auf April 1850 datiert sind, scheint der Fehler bei Fontane zu liegen, der möglicherweise statt März Mai notierte.
Die Vermutung liegt nahe, daß es Fontane um eine sorgfältige Auswahl der frühen, d. h. vormärzlichen Gedichte ging. Den Hauptteil beim Zusammenstellen der lyrischen Texte für eine eigenständige Ausgabe leistete Bernhard von Lepel (vgl. Fontanes Brief an ihn vom 8. 4. 1850). Im April d. J. schickte Fontane an G. Schwab für Cotta das Manuskript der „Gedichte", dessen ablehnenden Bescheid er am 13. Mai erhielt. Ganz offensichtlich war Fontane bemüht, den engeren Bekanntenkreis zu mobilisieren, um die erfolgversprechendste Kombination seiner Texte zu ermitteln - und wenn notwendig, unter Hinzuziehung einiger Gedichte, die nicht aus seiner Feder stammten (siehe Brief an B. v. Lepel vom 28.7.1850). Eggers wurde, wie der Brief bezeugt, schon früh herangezogen. Ihm kommt das Verdienst zu, die Vermittlung mit dem dann endgültigen Verleger der „Gedichte", Wilhelm Ernst, bewerkstelligt zu haben. „Ich bitte Dich jetzt dringend die Sache mit Ernst sofort aufzunehmen." So im Brief Fontanes an Eggers, den man im Juli geschrieben annimmt. Und an Lepel heißt es am 20. 7.1850: „Gropius'sche Buchhandlung meine Sachen genommen [...]; alles zu meiner Zufriedenheit." Denkbar ist, daß Friedrich Eggers für die Auswahl, die an Cotta gehen sollte, um Rat befragt wurde. Die vormärzlichen und wohl auch im engeren Sinn politischen Gedichte verlangten, nach neuer Elle gemessen zu werden. Das Notizbuch Fontanes im FAP (Hl, 1844-1850) vermerkt im Rahmen einer Gedichtliste: „Corrigenda: Die politischen Gedichte." Diese Lyrik wurde von ihm disqualifiziert, aber nicht pauschal. „Jene Bildersprache voll hohlen Geklingels, die, [...], zehn Jahre lang und länger nur der bunte Fetzen war, um die Gedankenblöße zu bergen", kritisierte Fontane 1853 in seinem Aufsatz „Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848", verwies jedoch in Person und Dichtung Freiligraths auf die Brücke, die zwischen Vor- und Nachmärz bestand. Dem Hinweis auf Anastasius Grün kommt beziehungsreiche Akzentuierung zu. Grün, der „wohl auch durch seinen vom Jo- sephimismus bestimmten Antiklerikalismus auf den jungen Fontane gewirkt" hat (so Helmuth Nürnberger: Der frühe Fontane. Politik-Poesie'Geschichte.
1840 - 1860. Frankfurt/M.-Berlin-Wien 1989 /=Ullstein Buch Nr. 4601/S. 412), hatte Pate gestanden bei Fontanes 1840 verfaßter Dichtung „Burg", die sich an dessen „Spaziergänge eines Wiener Poeten" anlehnte. Man kann verallgemeinern: Der Brief erhellt, in welchem Maße Fontane bestrebt war, die Dichtung der Jahre nach 1840 kritisch zu sichten und einen Nenner zu finden, der die Auswahl regelte. Er entdeckte ihn in einem Poesie-Begriff, der dem Politischen übergeordnet, d. h. gleichsam entfaltungsfähig im politisch linken wie rechten Lager war. Die Wendung im 1853er-Aufsatz wird dann lauten: „bei der Beurteilung von Kunstwerken lediglich den ästhetischen Maßstab gelten zu lassen." (NFA Bd. XXI/1, S. 18). Der rege Austausch und die nachdrückliche Diskussion mit den Bekannten und Freunden signalisiert, daß Fontane die Verläßlichkeit und Funk-
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