Heft 
(1990) 49
Seite
26
Einzelbild herunterladen

mes mit dem geographisch fixierbaren ist eines der erzählerischen Instrumente, mit denen Fontane seine Absichten umsetzt, die er in dem zitierten Brief an Wilhelm Hertz etwas untertreibend formuliert:Ich beabsichtige nicht zu erschüttern, kaum stark zu fesseln, nur liebenswürdige Gestalten, die durch einen historischen Hintergrund gehoben werden, sollen den Leser unterhalten, wo möglich schließlich seine Liebe ge­winnen- [...]" (Hervorhebung W. H.). Dieserhistorische Hintergrund" wird auch und gerade mit den geschilderten Örtlichkeiten vergegenwärtigt, ohne daß bei sol­chen Schilderungen das eigentlich erzählerische Moment in Vergessenheit geriete.

Während das Glockenspiel-Detail den Blick auf die poetologischen Unterschiede zwi- sehen dem Roman und den Wanderungen lenkte und in seiner Funktion als ,Leer- stelle als ein vom Erzähler bewußt gegebener Hinweis auf den fiktionalen Charakter der Stadt Berlin in Vor dem Sturm gesehen werden kann, führt das Folgende in die Thematik der Geschichte, wie sie Fontane an bestimmten Handlungsorten - und zwar wiederum gedichteten Orten - zeigt und damit gleichzeitig bewertet und ein­ordnet.

War Berlin, abgesehen von den Eingangsszenen des Romans, in den ersten beiden Bänden stets nur im Hintergrund, allenfalls in Gesprächen präsent - etwa, wenn Berndt von einer Fahrt nach Berlin zurückkehrt und in Guse davon berichtet (2. Band, 7. Kapitel) -, so wird mit dem 3. Band die Hauptstadt selbst zum Hand­lungsraum. Der Erzähler setzt jedoch, noch bevor das erste Kapitel des 3. Bandes be­ginnt, ein Zeichen, unter dem der Ort Berlin als Roman-Ort zu sehen sein soll. Der 3. Band trägt den Untertitel:Alt-Berlin". Damit ist zweierlei gesagt. Zum einen ist dieser Hinweis auf das alte Berlin ein solcher des Erzählers, der mit einem auktoria- len Signal verdeutlicht, daß das Berlin des Romans ein anderes ist als dasjenige der Erzähl- und Entstehungszeit des Romans. Es ist aus dieser Perspektive zu einem hi­storischen Ort geworden. Zum anderen wird bereits im 1. Kapitel des 3. Bandes auch dem Berlin der erzählten Zeit - also des Winters 1812/13 - ein vergangenes und ent­rücktes Berlin gegenübergestellt. Das Kapitel führt in der Überschrift den Namen eines Gebäudes -Im Johanniter-Palais" -, der auf eine auch von 1813 aus gesehen schon vergangene Zeit hindeutet. Die Verweise auf die Vergangenheit setzt Fontane in diesem Kapitel auf verschiedene Ebenen: zum einen im Gespräch der handeln­den Personen, vor allem aber in der Beschreibung der Lokalität.

Die Geschichte Berlins und des preußischen Herrscherhauses ist im Zimmer des Prin­zen Ferdinand und in dem Gespräch, das der Prinz, Berndt von Vitzewitz und Ge­heimrat Ladalinski darin führen, beständig greifbar. Von dem Prinzen, dem jüngsten Bruder Friedrichs des II., wird gesagt, er habe die,große Zeit' mit gesehen und mit durchgekämpft", und ihm selbst legt der Erzähler die Worte in den Mund:Ich wollte, daß ich dem Lande mehr sein könnte als eine bloße Erinnerung." Dieses Erin­nern an einegroße Zeit", der Vergleich zwischen dieser und der von Berndt und sei­nen Freunden als schmachvoll empfundenen Gegenwart unter demJoch" der Fran­zosen bildet das unausgesprochene Zentrum der Konversation, die im Arbeitszimmer des alten Prinzen geführt wird. Aber diese Erinnerung ist in dem Raum noch auf eine andere Weise präsent, in einem unscheinbar anmutenden Detail. Fontane läßt den Leser auch in diesem Kapitel nicht im unklaren über die Beschaffenheit des Handlungsraumes; er läßt ihn teilnehmen an BerndtsMusterung" (II/11) des Zim­mers :An den Fensterpfeilern befanden sich niedrige Bücherschränke und Etageren, so daß Raum blieb für Büsten und Bilder, darunter als bestes ein Landschaftsbild mit Architektur, Schloß Friedrichsfelde, den Sommeraufenthalt des Prinzen, darstellend.

26