Heft 
(1990) 49
Seite
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Siegenschen, aus Nassau oder der Pfalz stammten, sämtlich ,Pfälzer' genannt wur­den (etwa wie in Irland alle Herübergekommenen .Sachsen' heißen), gründeten ei­gene Dörfer, unter denen Neu-Barnim das größte war" (I/77). Für die unscheinbar wirkende Parenthese -etwa wie in Irland alle Herübergekommenen .Sachsen' hei­ßen" - hat Fontane in den Arbeitsmanuskripten mehrere Entwürfe notiert, die das Thema derSammelbezeichnung' für Angehörige verschiedener Nationalitäten an hi­storischen Beispielen erklären. Das ist ein Indiz für die Wichtigkeit, die Fontane der Vernetzung des erdichteten' Märkischen mit dem Weltgeschichtlichen in seinem Ro­man beigemessen hat. Es belegt, daß es Fontane beim Schreiben seines historischen Romans auf das Historische wie auf das .Romanhafte', die Eigengesetzlichkeit des Erzählens, gleichermaßen ankommt. Daß es eine Erzählung, eine literarische und keine oberflächliche historisierende Darstellung ist, zeigt sich beispielsweise in den immer wieder eingestreuten Verweisen auf die Romanform, die den Eindruck gar nicht erst aufkommen lassen, man habe es mit einem historischen Tatsachenbericht zu tun. Immer wieder stößt der Leser auf Floskeln wie ,im Laufe der Erzählung', ,die Zeit, in der unsere Erzählung spielt', ,in einem früheren Kapitel', Es ist dies ein Teil jenes ,Mitsprechens des Erzählers', das Fontane in einem Brief vom 14. Januar 1879 verteidigt:Dies beständige Vorspringen des Puppenspielers in Person, hat für mich einen außerordentlichen Reiz und ist recht eigentlich das, was jene Ruhe und Behag­lichkeit schafft, die sich beim Epischen einstellen soll. Die jetzt modische .dramati­sche' Behandlung der Dinge hat zum Sensationellen geführt." In dieser Abgrenzung des eigenen Erzählstils vomSensationellen", in dem Bestehen auf dem eigenen Recht des Erzählers, sich nicht wie der Goethesohe Rhapsode hinter dem Vorhang zu verstecken, sondern den Stoff frei zu gestalten und auf diese Freiheit deutlich hin­zuweisen, kommt ein Selbstbewußtsein des Erzählers Fontane zum Ausdruck, das man in diesem Romanerstling wohl nur deshalb findet, weil sein Autor zuvor durch die harte Schule der historischen und mit dem Anspruch der historischen Exaktheit auftretenden Kriegsgeschichtsschreibung gegangen ist und sich dann, in den Wande­rungen, von dieser Übermacht des Faktischen zu emanzipieren und die Mark und ihre Geschichte erzählend zu gestalten begann, bis schließlich im ersten Roman die schöpferische, eigene Figuren, Handlungen und Orte schaffende literarische Fähig­keit erprobt und umgesetzt werden konnte.

Daß die Verknüpfung zwischen der historischen und der literarischen Wirklichkeit als erzählerische Eigenleistung auch dann zu beobachten ist, wenn die auf das Vor­handensein eines selbstbewußten Erzählers verweisenden auktorialen Signale ge­rade nicht eingefügt werden, zeigt sich im Roman in der Darstellung des Schlosses Guse. In die Schilderung dieses Gebäudes und seiner Geschichte hat Fontane Passa­gen aus dem Gusow-Kapitel des Wanderungs-Bandes Das Oderland fast wörtlich übernommen, doch auch hier sind es - neben den verschiedenen Namensformen Gusow" undGuse" - fast versteckte Fingerzeige des Erzählers, die auf den kon­zeptionellen Unterschied zwischen der Erzählweise der Wanderungen und derjeni­gen des Romans hindeuten. Im KapitelGusow jetzt" spricht Fontane vom Grabge­wölbe des alten Derfflinger und von den Souvenirjägern, die den Leichnam bis auf die zwei großen Reiterstiefel sämtlicher Kleider und Grabbeigaben beraubt haben sollen. Während jedoch im Wanderungen-Kapitel kleine auktoriale Einschübe wie so hört ich" und die Erwähnung abweichender Überlieferungen -Nach Aussagen solcher übrigens [...] (II/233) - das Erzählte in den Bereich des Anekdotenhaften verweisen oder doch zumindest erzählerische Distanz signalisieren, werden die ent­sprechenden Passagen im Roman ohne jeglichen wertenden Erzählerkommentar ge­lassen. Gerade durch diesen kommentarlosen Bericht, der offenkundig Unverbürg­tes und Anekdotenhaftes als historisches Faktum präsentiert, gleichzeitig aber den

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