Heft 
(1990) 49
Seite
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nach den Bänden I und II der Romane und Erzählungen, Hrsg. Peter Goldammer, Gotthard Erler, Jürgen Jahn und Anita Golz. Berlin/Weimar: Aufbau 1973. Die Wanderungen durch die Mark Brandenburg werden mit Angabe der Band- und Seitenzahl der von Gotthard Erler und Rudolf Mingau besorgten Ausgabe des Aufbau- Verlages zitiert.

Klaus Dieter Post, Augsburg

Das eigentümliche Parfüm des Wortes"

Zum Doppelbild des Heliotrop in Theodor Fontanes RomanEffi Briest"

Seitdem Theodor Fontane im Jahre 1895 mit seinem Roman ,Effi Briest' an die Öffentlichkeit trat, ist das Interesse der Literaturwissenschaft an diesem Werk nie­mals erlahmt. Die Kommentare zu ,Effi Briest' füllen inzwischen Bände, wobei es be­sonders die zeitgenössische Kritik ist, die in einem breiten Spektrum von Abhand­lungen alle nur denkbaren Aspekte dieses Romans erschöpfend darzulegen bemüht ist. Die zentrale Frage nachSchicksalsroman" oderGesellschaftsroman" be­herrschte von Anfang an die Diskussion und ist auch heute noch der gemeinsame Hauptnenner aller Kommentare. Hier ist inzwischen gesichertes Terrain entstanden, und es wäre müßig, so ausführlichen und feinsinnigen Arbeiten wie denen von De- metz, Mittenzwei und Müller-Seidel weitere Erörterungen der strapazierten Thema­tik an die Seite zu stellen. 1 Dennoch fand bei aller Vielseitigkeit der vorgetragenen Forschungspositionen das für Fontane so bezeichnende Interesse am Detail auf seiten der Exegeten wenig Berücksichtigung. Zwar weist jedermann auf die zentrale Sym­bolik in ,Effi Briest' hin, spricht von der Relevanz des Schaukelmotivs für Effi und von der Bedeutung des Spuks für die Handlungszusammenhänge des Romans, doch wurde die spezifische Einzelheit, sei sie nun rein sprachlicher oder handlungsmäßiger Bedeutung, nicht mit der für Fontane angemessenen Akribie ins Auge gefaßt. Allein neuere Arbeiten von Riechel und Brinkmann lassen etwas erahnen von der Bedeu­tung der Worte und Requisiten für das Verständnis der Fontaneschen Romane. 2 Zweifellos steckt bei Fontane die Kunst im Detail. Und das gilt, wie wir noch sehen werden, für ,Effi Briest' in ganz besonderem Maße.

Fontane hat in höchst artistischer Weise die Fabel, die er präsentieren will, mit einem verweisenden Zeichensystem versehen, welches die Geschichte Effis in ver­schlüsselter Form modifiziert und erweitert. Sicherlich nicht, und das hat die For­schung deutlich gemacht, 3 im Sinne einer Öffnung der Geschichte ins Erhabene oder Metaphysische. Fontanes Zeichensprache ist keine Symbolsprache im Sinne Hegels. Ihre Funktion ist vielmehr eine charakterisierende und strukturelle. Sie übersetzt die beschriebene Wirklichkeit in einen Kontext aufeinander bezogener Details, welche die Geschichte in der Geschichte sichtbar machen.

* Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Herausgebers aus: Literatur und Medien in Wissenschaft und Unterricht. Festschrift für Albrecht Weber, hrsg. von Walter Seifert u. a., Köln, Wien: Böhlau 1987, S. 47 54.

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