wird der Sechzehnjährige Apothekerlehrling. Dreizehn Jahre lang ist er so, an wechselnden Orten, als Lehrling, Gehilfe, schließlich als- „Apotheker erster Klasse" einem Beruf versklavt, der seiner Berufung wie seinem Freiheitsdrang strikt widerspricht: immer in abhängiger Stellung. In Leipzig versucht er, zwanzigjährig, „bei Tage Geschäftsmann, bei Nacht ein Mittelding von Student und Literat zu sein"; macht vergebliche Versuche, sich in der eigenen, der literarischen Welt zu etablieren und verstrickt sich in Irrungen oder Wirrungen, die seine „Geldkalamitäten" steigern. Das „Gesetz allgemeiner Wehrpflichtigkeit" steckt ihn in den Militärdienst. „Diese Unterbrechung meiner Studien entschied über mein Studium überhaupt. Ich gab alles weitere Ankämpfen gegen mein Schicksal auf und beschloß, reumütig in die Arme der edlen Apothekerkunst zurückzukehren. - Mit diesem Entschlüsse wurde mir eine Ruhe zu Teil, die bald anfing, auf meine poetischen Arbeiten den besten Einfluß zu üben." Die Dinge müssen sich eben „selber machen".
Als Gast eines Schulfreundes kann der Vierundzwanzigjährige, noch während des Einjährigen-Dienstjahres, auf vierzehn Tage beurlaubt, an einer Gesellschaftsreise nach England teilnehmen, erlebt mit rauschhaftem Entzücken den schärfsten Gegensatz zum heimatlichen, dem preußischen Drill; den Unterschied zwischen freiem Staatsbürger und Untertan. „Seit Jahren blickt' ich auf England wie die Juden in Ägypten auf Kanaan", schreibt er sein Reisetagebuch, „...London hat einen un- vertilgbaren Eindruck auf mich gemacht; nicht sowohl seine Schönheit als seine Großartigkeit hat mich staunen lassen. Es ist das Modell oder die Quintessenz einer ganzen Welt". Ohne Aussicht auf festes Einkommen, das eine Heirat in greifbare Nähe rücken könnte, verlobt sich der Sechsundzwanzigjährige mit der zwanzigjährigen Emilie Rouanet, die wie er der „Kolonie" entstammt. Jahre äußerer und innerer Not werden langsam, schmerzhaft, aus dem unbesonnenen hartköpfigen Bohémien den Charakter meißeln.
Schon hat er sich in journalistischen und dichterischen Versuchen erprobt, die ihm wenig Münze, aber, durch Vermittlung eines Freundes, im Herbst 1844 die Aufnahme in den „Tunnel über der Spree" eintragen, einen harmlosen Club von Dichtern und Auch-Dichtern. Hier trägt er seine Balladen vor, die, soweit sie preußische Generale verherrlichen, Eingang in die Schullesebücher finden werden. Rauschenden Beifall im „Tunnel" wird 1854 dem Fünfundzwanzigjährigen sein „Archibald Douglas" bringen. Interessant dabei ist die freundliche Schlußwendung, denn König Jakob „auf hohem Roß" schickte unköniglich den Douglas in die Verbannung zurück.
Der Einfluß eines Tunnelkamefaden hatte dem Mittellosen, der im Herbst 1849 den Apothekerberuf auf gegeben und sich zu einem Leben als „freier Schriftsteller" entschlossen hatte, 1850 eine besoldete Stelle als Lektor im „Literarischen Kabinett" der Regierung verschafft. Daraufhin heiratet er nach fünfjähriger Verlobungszeit. Aber schon nach zwei Monaten wird das Kabinett aufgelöst. Verschärft beginnen die Nahrungssorgen: unmöglich, von der Feder zu leben! Alle Versuche, irgendwo, irgendwie Arbeit zu finden, schlagen fehl. Vom begonnenen Drama „Karl Stuart" ist längst keine Rede mehr. So bezwingt er den eingeborenen Freiheitsdrang, der sich im Sturmjahr 1848 durch die Teilnahme an den Straßenkämpfen und revolutionäre Zeitungsartikel Luft gemacht hatte; das 1813 gegebene königliche Versprechen einer Verfassung war ja immer noch nicht eingelöst. „Und so verkaufte ich mich der Reaktion für monatlich dreißig Silberlinge", wird er am 1. November 1851 „angestellter Scribifax" in der neugegründeten „Zentralstelle für Presseangelegenheiten": ein Opfer, dessen Ausmaß nachzufühlen Frau Emilie kaum imstande ist. Wie Befreiung auch aus der häuslichen Misere wirkt da ein Auftrag der Regierung, der ihn als Korrespondenten für die konservative preußische Presse im Frühjahr 1852 auf ein paar
50