Heft 
(1990) 49
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dalaffaire auf, diedie Spatzen auf dem Dache zwitschern": die Entführung der jun­gen Frau eines sehr angesehenen älteren Mannes durch .einen ganz mediokren jün­geren. Kühl, sachlich, formt er als Bild das, was einmal Freud auf die Formel vom Unbehagen in der Kultur" reduzieren wird. Er fällt keine Urteile, steht mit höchster Objektivität über den Parteien, stellt nur fest: -so ist es! Das bedeutet, kein weichli­ches laissez faire, laissez aller, ist nur schlicht die Quintessenz errungener Einsicht in die Unzulänglichkeiten der Welt, wie sie nun einmal ist, und eines gelassenen Hin­nehmens ihrer Mängel als desvon Uranfang an Bestimmten".Ein Stück Leben" hat er gegeben,ohne jede Nebenabsicht oder Tendenz. Wäre ich nur zehn Jahre jünger, so wär ich auch sicher, daß ich damit durchdringen und insoweit besser als Tur­genjew und Zola (wenn auch selbstverständlich mit geringerem äußeren Erfolge) reüssieren würde, als meine Schreibweise von zwei Dingen völlig frei ist: von Über­treibungen überhaupt und vor allem von Übertreibungen nach der Seite des Häßli­chen hin...". So schreibt er der Tochter, dem Menschen, der ihm in seiner Familie innerlich am nächsten steht.

Nach so vielen Enttäuschungen und Demütigungen weiß er, daß ihm mitL'Adul- tera" etwas gelungen ist, das die deutsche Literatur bis dahin nicht erreicht hatte. Mit Bangen sieht'er den Rezensionen entgegen. Da geschieht Unerwartetes: Der spä­tere Literaturhistoriker Eduard Engel ( ... ] istgefesselt, namentlich von vielen Feinheiten in der Unterhaltung, vielen sprachlichen Reizen, von der Überlegenheit und Sicherheit der ganzen Darstellung. Mir kam der Gedanke, dann die' Überzeu­gung: Aber dies ist ja vortrefflich, dies ist doch mindestens ebenso gut wie die viel­gepriesenen Franzosen, viel feiner als Zola, viel wärmer als Maupassant, auf gleicher Höhe mit Daudet.-Ich setzte mich hin und sagte dies und manches dazu in einem län­geren Aufsatz des .Magazins', dem ersten, der je über den großen deutschen Erzähler Fontane geschrieben wird ... Das Heft des .Magazins' erschien; ich bekam mancher­lei Zuschriften, Zustimmungen, besonders aus Berlin ... und dann, einige Tage dar­auf, meldete mir das Mädchen: Ein alter Herr möchte Sie sprechen, hier ist seine Karte: Theodor Fontane,, dazu seine Wohnung Potsdamer Straße 134 c. Er trat ein, noch sehe ich das ganze Bild: in meinem großen hellen Zimmer am Lützowufer.. da stand Theodor Fontane, der .alte Herr', stattlich, nur leichtergraut, mit dem ge­schichtlich gewordenen grünen Schal um den Hals; ja, da stand er an der Tür, tat keinen Schritt vorwärts ins Zimmer, schüchtern wie ein armer Bittsteller, und - ja dann sah ich Tränen in seinen Augen. Ich streckte ihm die Hand entgegen: Lieber Herr! - da umarmte er mich und lächelte mich durch Tränen an. Und dann saßen wir einander gegenüber vor meinem Schreibtisch ..., und er begann: .Ich muß Ihnen danken: Sie sind der Erste und der Einzige, der auszusprechen gewagt hat, daß Theo­dor Fontane ein Erzähler hohen Ranges sei, so bedeutend wie die großen englischen und französischen Erzähler unserer Zeit. Das hat noch keiner von mir öffentlich ge­sagt; allen bin ich nur der Dichter der preußischen Balladen in den Schullesebüchern und der Theaterberichterstatter für die Vossische. Ich selbst habe immer geglaubt, daß ich noch etwas anderes könne, ... aber wer sonst? Vielleicht noch mancher Andre; mancher hat es mir sogar wohlwollend gesagt, unter vier Augen, aber druk- ken hat es keiner lassen. Nie werde ich Ihnen das vergessen."

Unbeteiligt blieb das Herz des Künstlers, derL'Adultera" formte. Um so wärmer schlägt dies leiderprobte Herz inIrrungen, Wirrungen", das ein von der bürgerlich- wohlanständigen Literatur bis dahin unbeachtetes Thema aufgreift: das - tragische -Verhältnis" zweier auf verschiedener Gesellschaftsstufe stehender Liebenden, je­des in eigener Sphäre ein echter Mensch. In einem Ende des 19. Jahrhunderts noch ländlichen Außenbezirk Berlins erwächst wahre Liebe zwischen dem ehrenhaften Ka-

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