tausende alt und wird wohl noch älter werden und in Kraft und Ansehen bleiben. Es ist ein Pakt, den ich schließe und den ich schon deshalb, aber auch noch aus anderen Gründen, ehrlich halten muß; tu ich's nicht, so tu ich ein Unrecht, wenn nicht ein .Abkommen' die Sache anderweitig regelt. Der freie Mensch aber, der sich nach dieser Seite hin zu nichts verpflichtet hat, kann tun, was er will, und muß nur die sogenannten .natürlichen Konsequenzen', die mitunter sehr hart sind, entschlossen und tapfer auf sich nehmen. Aber diese .natürlichen Konsequenzen', welcherart sie sein mögen, haben mit der Moralfrage gar nichts zu schaffen. Im wesentlichen denkt und fühlt alle Welt so, und es wird nicht mehr lange dauern, daß diese Anschauung auch gilt und ein ehrlicheres Urteil herstellt. Wie haben sich die Dinge seit den .Einmauerungen' und ,In den Sack stecken' geändert, und wie werden sie sich weiter ändern!" Gelassen nimmt Fontane es hin, daß die Vossische Zeitung den zweiten Roman aus der „Demimondeschaft", „Stine", aus Rücksicht auf die Leserschaft ablehnen muß. „Es ist ganz ehrlich", schreibt er nach Rücksendung des Manuskripts, „wenn ich Ihnen versichere: .Eigentlich ist es mir lieb, es wieder in Händen zu haben'. Mit dem Gelde stehe ich nicht so schlecht, daß ich das Honorar dringend bedürfte... Ich hätte wieder das sittliche Hallo mit anhören wollen . .. Und so mag es denn wohl so sein ... Denn daß der alte sogenannte Sittlichkeitsstandpunkt ganz dämlich, ganz antiquiert und vor allem ganz lügnerisch ist, das will ich wie Mortimer (in Schillers „Maria Stuart") auf die Hostie beschwören".
In der von Fritz Mauthner, dem späteren Philosophen, herausgegebenen Wochenschrift „Deutschland" findet „Stine" endlich, 1890, ihren Platz, die Geschichte der Liebe eines kränklichen Mädchens, das sich mit Stickereiarbeiten ernährt, und des jungen Grafen Haldem, den Stines Schwester, die resolute Witwe Pittelkow, ausgehalten vom älteren Grafen Haldem, mit Recht „ein armes, krankes Huhn" nennt. Diese Pittelkow, der „schwarze Deiwel" - „eine mir gelungene und noch nicht dagewesene Figur" - ist der eigentliche Mittelpunkt der Erzählung, die trotz praller Menschenschilderung weniger Dichtung, mehr Photographie eines Berliner Milieus ist. Nicht das Nein des Onkels, als er die Heiratsabsicht des Neffen erfährt, sondern Stines Widerstand führt zum tragischen Schluß: Der junge Haldern, der bei Stine das gefunden hatte, was er „zeit seines Lebens vermißt hat: einfache Güte und Herzlichkeit," vergiftet sich, Stine stirbt ihm nach.
Im Zusammenhang mit diesen Romanen der „Demimondeschaft" wäre noch „Cecile" zu nennen, die in den Jahren 1884 und 1885 entstand. Wie in „L'Adultera" handelt es sich um das Schicksal einer Frau, die aber diesmal kein Durchschnittsweibchen ist, sondern, wenn auch ohne geistige Potenz, ein Schicksal trägt, an dem die seelisch Feinfühlige zerbrechen muß. Die siebzehnjährige Cecile von Zacha ist einst von der Mutter einem Fürsten verkuppelt worden und ging nach seinem Tode an den leidenden Neffen über, ohne, eine passive Natur, an so unwürdigen Verhältnissen zu leiden, denn sie fand „was mir die Welt verweigerte: Liebe und Freundschaft, und um der Liebe willen auch Achtung". „Sie war wohl eigentlich, ihrer ganzen Natur nach, auf Reifenwerfen und Federball gestellt und dazu angetan, so leicht und graziös in die Luft zu steigen, wie selber ein Federball", findet ein Beobachter und fügt hinzu, „daß, was immer auf ihrer Seele laste, die Seele, die diese Last trage, trotz alledem eine Kinderseele sei". Als dies Urteil fällt, ist die gewesene Fürstenmaitresse schon Frau des Obersten a. D. von St. Arnaudi: Als die Verlobung bekannt wurde, hatte der Vertreter des Offizierskorps darauf aufmerksam gemacht, daß diese Verbindung „nicht wohl angängig" ist. St. Arnaud forderte und erschoß ihn im Duell. Das seltsame Paar weckt bei einem Aufenthalt in Thale die Aufmerksamkeit des Ingenieurs von Gordon, der mehr und mehr an dem Geheimnis herumrätselt, das diese anzie-
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