hend aparte Frau umschleiert. In Berlin, wo er im St. Arnaudschen Hause verkehrt, erfährt er den Kern des Rätsels, Ceciles „Vergangenheit". Erregt bedrängt er sie. St. Arnaud erschießt auch ihn im Duell,, flieht nach Italien. Cecile soll nachkommen: „ ... nimm das Ganze nicht tragischer als nötig, die Welt ist kein Treibhaus für überzarte Gefühle." Müde einer solchen Welt, die nun einmal so ist, wie sie ist, nimmt Cecile eine Überdosis Digitalis. 2
„Cecile" sei „doch mehr als eine Alltagsgeschichte, die liebevoll und mit einem gewissen Aufwand von Kunst erzählt ist", schreibt Fontane einem wohlwollenden Kritiker. „Wenigstens will die Geschichte noch etwas mehr sein: sie setzt sich erstens vor, einen Charakter zu zeichnen, der, soweit meine Novellenkenntnis reicht..., noch nicht gezeichnet ist, und will zweitens den Satz illustrieren, ,wer mal „drinsitzt", gleichviel mit oder ohne Schuld, kommt nicht wieder heraus'." Schuldlos an der dem 17jährigen Kinde aufgebürdeten „Vergangenheit", seelisch wehrlos, ungebildet und unverbildet, mit der einfach-einfältigen Herzenssehnsucht nach Ruhe und Frieden, hat Cecile immer wieder erfahren müssen, daß die „Gesellschaft", für die sie eine Geächtete ist, ein Freiwild in ihr sieht - so gibt sie, die überwinden gelernt bat, sich den Frieden.
Mitleid schuf die Erzählung, nicht die Liebe, die „Irrungen, Wirrungen“ durchleuchtete. Auch jetzt geht es um echte, um „falsche" Ehre, um Menschenwert und Konvention. „Grüble nicht zu viel über das alte leidige Thema von Schuld und Sühne", hieß es schon in „L'Adultera". „Schuld" ist Schicksal, und Schicksal ist das „von Uranfang an Bestimmte": die naturgegebene Wesensart des Menschen.
Eine Fülle von „Stoffen" bedrängt in diesen Jahren den fast 70jjährigen. „Quitt" fußt auf einer Begebenheit, die ihm im Riesengebirge erzählt worden war: Ein Wilderer, sich im vollen menschlichen Recht fühlend, erschießt den feindlichen Förster, flieht nach Amerika, wird Mitglied einer-Mennonitengemeinde, endet tragisch. „Unwiederbringlich" verdichtet eine wahre Begebenheit, von der eine Leserin ihm brieflich berichtet hatte: Nach Jahren glücklicher Ehe verliebt Baron Plessen- Ivenack auf Schloß Ivenaok sich am Strelitzer Hof stürmisch in ein pikantes Fräulein von Dewitz kehrt heim und eröffnet seiner noch immer schönen, aber „etwas frommen" Frau, sie müßten sich trennen. Nach der Scheidung wirbt er „in aller Form" um die Dewitz, die ihn auslacht: Sie ist gerade dabei, die Werbung eines reichen unverheirateten Herrn der Strelitzer Gesellschaft anzunehmen. Blamiert, geht der Abgewiesene ins Ausland. Versöhnungsbemühungen der Verwandten glücken, schließlich wird das geschiedene Paar unter allgemeinem Jubel mit aller erdenklichen Pracht zum zweiten Male getraut. Plötzlich ist die Frau von der Hochzeitstafel verschwunden, tot findet man sie am Teich des Parks. Auf ihrem Zimmer ein Zettel mit dem einzigen Wort „Unwiederbringlich".
Der graue Bericht hat im inneren Auge des Dichters Leben entfacht. Aus dem Schicksal, das hier erlitten wird, gestalten sich ihm Charaktere, lebendige Menschen, deren Lieben und Leiden der Leser, im Tiefsten angerührt, mit-leidet. Keinem der Ehepartner wird ein Verschulden zugemessen, sie erfahren, erdulden nur, was ihre Wesensart, ihr Charakter, ihr Schicksal ihnen auferjegt, denn sie finden beide nicht, überwindend, die Kraft, einander anzuerkennen, sich verstehend aufeinander einzustellen - die feine und schmerzhafte Kunst, in der Fontane selber in langen Ehejahren sich bewährt. Die herrnhutisch gefärbte, herbe Frömmigkeit der Frau, die heiter liebenswürdige, primitive Vitalität des Mannes müssen sich, unausweichlich, eines Tages ihrer unvereinbaren Gegensätzlichkeit bewußt werden; die Katatrophe gründet im unbiegsamen Charakter der Frau. Daß die Szene in das dem Dichter liebe Dänemark verlegt ist, verschleiert die Fakten der Anregung: Fontane schreibt keinen
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