schaftsdame war, werden konnte und wollte, kann nur leidend, duldend, überwinden lernen! Ihr Urbild? „Vielleicht läge sie lieber auf dem Rondell in Hohen-Cremmen", sagt ein Briefwort. Des Dichters Herz schenkt seiner Effi das sanfte Verlöschen „hier in meinen Krankheitstagen, die doch fast meine schönsten gewesen sind". „Unwiederbringlich", „Stine", „Quitt" und „Frau Jenny Treibel fordern noch jahrelange „Düftelei", So mag die Effi-Vision langsam, organisch, reifen. Denn: „Ich schreibe alles wie mit einem Psychographen (die grenzenlose Düftelei kommt erst nachher) und folge, nachdem Plan und Ziel mir feststehen, dem bekannten .dunklen Drange'. Es klingt ein bißchen arrogant, aber ich darf ehrlich und aufrichtig sagen: es ist ein natürliches, unbewußtes Wachsen". - (1888).
Im Juni 1889 hat er, nach 19 Jahren, seine Stellung als Theaterkritiker der Vos- sischen Zeitung aufgegeben, „die sich ohnehin sehr generös gegen mich benommen und mich wie einen alten Beamten regelrecht und auskömmlich pensioniert hat". Am 1. Oktober übernimmt er die Kritik der Aufführungen des im März 1889 gegründeten „Vereins Freie Bühne für modernes Leben", einer geschlossenen Gesellschaft, die nur Mitgliedern den Zutritt gestattet. Diese Gründung war notwendig geworden, nachdem polizeiliche Zensur die öffentliche Aufführung von Ibsens „Gespenstern" verboten hatte. Ein „Verein" dagegen ist solchem Zugriff entrückt. Schon im September konnten hier die „Gespenster" in Szene gehen. Am Abend des 8. September entdeckt Fontane auf seinem „Riesenschreibtisch" zufällig ein schmales Heft, das der Verleger ihm gesandt hatte, und das unter anderen Dingen verkramt worden war. Sofort liest er den 1. Akt, am folgenden Tag den Rest, schreibt dem Verleger: „... Ich kann Ihnen nur gratulieren, etwas so Hervorragendes ediert zu haben ... Ihr Dichter wird vielleicht ein Leben lang warten müssen, eh ihm - und noch dazu von einem auf dem Äussterbe-Etat stehenden alten Herrn - je wieder so viel und so unbedingt Anerkennendes (was zu tadeln ist, verschwindet) gesagt werden wird..." Und an den Autor: „. .Ihr Stück mag in Ihren Augen ein soziales Drama sein, in meinen Augen ist es ein Drama, ein Stück Leben, und das bedeutet mehr". Der Tochter, die gerade verreist ist, muß er seine Entdeckung melden, denn er hat das neuartige Drama sofort dem Leiter der freien Bühne, dem jungen Otto Brahm, empfohlen: „Ich war ganz benommen. Mama natürlich wieder in Angst, ich ginge zu weit, ich engagierte mich ungebührlich; Durchgänger, Hitzkopf, Jüngling'. Nachdem nun aber gestern eine Karte von Brahm eingetroffen ist, der ganz meine Anschauungen teilt, hat sie sich einigermaßen beruhigt. Ich allein kann nie rechthaben; es muß immer erst bestätigt werden, und wenn es durch Müller oder Schulze wäre...". Der neue Dramatiker ist ihm „ein völlig entphraster Ibsen".
Am 20. Oktober 1889, in einer Nachmittagsvorstellung, findet vor den Mitgliedern des „Vereins" die Uraufführung statt: „Vor Sonnenaufgang". Freunde und Feinde der neuen Richtung kennen die Buchausgabe, sind also gerüstet. So kommt es zum regelrechten Theaterskandal, Johlen und Pfeifen mischt sich mit trotzigem Beifall, und als im vierten Akt nach der Hebamme gerufen wird, fliegt aus dem Parkett eine Geburtszange auf die Bühne. Der Kritiker aber, dem zum erstenmal im Leben ein Ebenbürtiger begegnet ist, widmet diesem ersten naturalistischen Drama auf deutscher Bühne, allen Verdammungsurteilen rechtsgerichteter, also maßgeblicher, Kreise zum Trotz, zwei zustimmende Rezensionen. An der Klaue hat er den Löwen erkannt: Gerhart Hauptmann!
Der 70. Geburtstag, der 30.12. 1889, macht sich geltend! Die Vossische Zeitung, vielmehr die dem Dichter freundschaftlich gesinnten Lessings, wollen das „Jubelfest" gebührend feiern - peinlich für ihn, dem alles Laute gegen den Strich geht! Keinesfalls will er selber Einladungen ergehen lassen! „... wer sieht einen denn für voll an? Wer
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