ganz der Knabe Fontane: „Schöner als alles ... war ... eine zwischen zwei Holzpfei- lem angebrachte, ziemlich baufällige Schaukel. Der quer überliegende Balken fing schon ah morsch zu werden, und die Haken, an denen das Gestell hing, saßen nicht allzu fest mehr. Und doch könnt ich von dieser Stelle nicht los und setzte meine Ehre darin ..., die Schaukel derartig in Gang zu bringen, daß sie mit ihren senkrechten Seitenbalken zuletzt in eine fast horizontale Lage kam. Dabei quietschten die rostigen Haken, und alles drohte zusammenzubrechen. Aber das gerade war die Lust, denn es erfüllte mich mit dem wonnigen und allein das Leben bedeutenden Gefühle: Dich trägt dein Glück."
Von einer „Versteckspielmanier" erzählen die „Kinderjahre", vom Triumph, sich so zu verstechen, daß kein Spielgefährte das Versteck finden kann: „Worin wurzelt das Glück?" Mit gleicher Wonne versteckt Effi sich so, daß die Freundinnen sie nicht finden. „Ich war der geborene kleine Akrobat", sagt Fontane, und Mama Briest meint scherzhaft, Effi hätte eigentlich „Kunstreiterin" werden müssen, „immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, daß du sowas möchtest". Wenn Effi dann den Freundinnen erzählt, Papa habe ihr einen Mastbaum versprochen, „hier dicht neben der Schaukel, mit Rahen und einer Strickleiter", dann taucht wiederum der alte Fontane ein in den halbwüchsigen, dem verboten war, die Schiffe zu betreten „und am wenigsten die Strickleiter hinauf bis in den Mastkorb zu klettern", was natürlich doch geschah. Hasardspiel ist so Leben und Glück des Kindes Fontane, des Kindes Effi, in dessen Seele die Seele des Dichters sich einfühlt. Er, seine Seele, wird Effis Schicksal erleiden, er ist Effi! Nicht von ungefähr zitiert er während der Niederschrift des Romans, wenn auch in anderem Zusammenhang, ein Wort Schopenhauers: „Das Beste, was wir haben, ist Mitleid": Mit-Leiden!
Im gleichen Brief findet sich die bedeutsame Stelle: „.. ich bin nun mal für Frieden und Kompromisse. Wer diese Kunst des Kompromisses nicht kennt, vielleicht nicht kennen will, .., kann sich begraben lassen. Ich habe noch nicht gesehen, daß ein... Prinzipienreiter heil durchs Leben gekommen ist." Damit erübrigt sich die Frage, welche von den einander widersprechenden Äußerungen des Dichters über Innstetten seine wahre Meinung aussagt. Rittmeister bei den Düsseldorfer Husaren war der (inzwischen avancierte) Baron Ardenne. Fontane macht ihn zum Beamten, nicht, wie er betont, „um die wirklichen Personen nicht zu deutlich hervortreten zu lassen", sondern aus der Abneigung, die ihm sein wiederholtes widerwilliges Bekanntwerden mit preußischem Beamtentum eingeflößt hatte: servil nach oben, die Möglichkeiten der .Karriere berechnend; Prinzipienreiter comme il faut und Schulmeister obendrein, der seinen pädagogischen Tic an dem unreifen, dem siebzehnjährigen Naturkind ausläßt, den Spuk als einschüchterndes „Erziehungsmittel" ausnützt, dabei „jede Herzensgüte" vermissen läßt; es „grenzte schon fast an Grausamkeit". Dazu macht der Dichter ihn noch zum Wagnerschwärmer, er, der vor drei Jahren in Bayreuth die Ouvertüre des „Parsifal" nicht aushielt: „Also wieder raus"! Das ist nicht der „Stamm", um den der „Efeu" sich ranken könnte, wie Papa Briest gemeint hatte. Effis „Ehrgeiz" könnte in der Karriere ihres Mannes - vielleicht - Befriedigung finden, aber ihr „Hang nach Spiel und Abenteuer", an den Mama Briest sich erst nach der Hochzeit erinnert, kann in der Leere und Langeweils, die dieses Kind an der Seite dieses Mannes quälen muß, unmöglich ersticken. „Man muß doch immer dahin passen, wohin man nun mal gestellt ist", spürt sie, und nach Kessin paßt sie nun einmal nicht. „Wirst du populär werden und mir die Majorität sichern, wenn ich in den Reichstag will?" fragt der Gatte, spricht damit seine eigene Verurteilung aus. Die Schaukel, die dem Kind Effi in Hohen-Cremmen die Möglichkeit bot, im Glück des gefährlichen Flugs durch die Luft den eingeborenen Hang nach Spiel und Abenteuer
63