Angenehmeres ist von dem namhaften Mitglied des Fontane-Abends Fedor von Zobeltitz zu berichten. Er wurde 1857 auf dem märkischen Rittergut Spiegelberg als Sproß einer alten Gutsbesitzers- und Offiziersfamilie geboren. Obwohl zur militärischen Laufbahn bestimmt, fand er dafür keine Neigung. Er wurde Schriftsteller, leidenschaftlicher Bibliophile, begründete 1897 die „Zeitschrift für Bücherfreunde" und hob 1899 die „Gesellschaft der Bibliophilen" mit aus der Taufe. Zobeltitz begegnen wir im „Tunnel" und später in allen deutschen bibliophilen Vereinen. Nicht zu Unrecht wird in ihm der Altmeister der deutschen Bibliophilie gesehen. Zobeltitz schrieb seine Lebenserinnerungen nieder, die unter dem Titel „Ich hab so gern gelebt" 1934 vom Ullstein-Verlag Berlin veröffentlicht wurden. Darin ist allerdings nicht enthalten, daß er bis zu seinem Tode im Februar 1934 allen jüdischen bibliophilen Freunden verbunden blieb. Sein letzter Beitrag für seine „Zeitschrift für Bücherfreunde" hatte dem Freund und Weggefährten Prof. Dr. Georg Witkowski zu dessen 70. Geburtstag im September 1933 gegolten. Zobeltitz bekannte sich darin rückhaltlos zu dem von den Nazis Geschmähten, der soviel für die deutsche Bibliophilie getan und sich als Literaturwissenschaftler einen bleibenden Ruf erworben hatte.
Jüdische Bürger deutscher Nationalität leisteten auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet, gerade im ersten Dritttel des 20. Jahrhunderts Hervorragendes und mehrten den Ruhm und das Ansehen deutscher Wissenschaft und Kultur einschließlich der Bibliophilie. Als nach 1933 durch immer schärfere Gesetze und unmenschliche Maßnahmen der Nazis ihr gesamtes Leben mehr und mehr eingeengt und bedroht wurde, war trotzdem ein großer Teil der Intelligenz, des Mittelstandes und der Bourgeoisie zutiefst davon überzeugt, daß Recht und Gesetz letztendlich über Rassenwahn und Terror siegen würden-, und „ungesetzlich" wollten die so Denkenden nicht handeln.
Sie hielten an ihrem deutschen Vaterland fest, zumal die am 17. 9. 1933 gegründete „Reichsvertretung der deutschen Juden" unter der Präsidentschaft von Rabbiner Leo Baeck anfangs noch dazu aufgerufen hatte, daß jeder auf seinem Posten bleiben möge. Später war der Widerstand der isolierten und gebrandmarkten, entrechteten und erniedrigten sowie aller Mittel beraubten Deutschen jüdischer Herkunft darauf orientiert, ohne Aufsehen den Nazis keinen Vorwand für Massenrepressalien zu liefern.
Indessen entzogen sich viele weitsichtige Persönlichkeiten dem unwürdigen und lebensbedrohenden Geschick durch Emigration. Zu diesen gehörte auch der 1892 in Berlin geborene Rechtsanwalt und Notar Dr. Martin Domke, 26 der auch als ausgezeichneter Lichtenberg-Kenner galt. Er emigrierte 1933 nach Paris, war dort im internationalen Recht Berater französischer Anwälte und diente als Freiwilliger in der französischen Armee. 1941 ging er in die USA und wirkte als Professor an der New York University sowie als Vizepräsident der American Arbitration Association. Er verfaßte in den USA mehrere rechtswissenschaflliehe Werke und betätigte sich ab 1946 als Chefredakteur für das Arbitration Journal sowie als Berater der US-Regierung und der Agenturen der UNO bei der Schlichtung von Handelsfällen.
Auch das Mitglied des Fontane-Abends Dr. Abraham Horodisch entschied sich bereits im ersten Jahr der faschistischen Diktatur für den Gang ins Exil. Nach seinem Ökonomie-Studium an den Universitäten in Berlin und Frankfurt wurde der 1898 geborene, also noch junge Horodisch, durch den von ihm 1920 mitbegründeten und geleiteten rein bibliophilen Euphorion-Verlag bekannt. Später gründete er mit Moses Marx den Verlag Horodisch & Marx, der sich speziell der Herausgabe jüdischer bibliophiler Drucke und bibliographisch-wissenschaftlicher Werke widmen sollte. Horodisch war ein hervorragender Sachkenner und betätigte sich aktiv in allen bibliophi-
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