berg und dem Kulturhistoriker Ludwig Friedländer — um nur einige zu nennen — zum festen Stab der deutschen Freunde Turgenjews, mit denen er bis zu seinem Lebensende in Briefwechsel stand 5 7 . Fontane aber traf sowohl mit Heyse als auch mit Storm — wenn sie auch in späteren Jahren nicht mehr am selben Ort wohnten — noch oftmals zusammen, zu einer Zeit, als die beiden schon in einem sehr herzlichen Kontakt zu Turgenjew standen. Fontanes Bekanntschaft mit dem Übersetzer Bodenstedt wurde schon erwähnt. Er kannte aber auch den Sprachlehrer und Übersetzer August Boltz, dessen Arbeiten — sie bestanden unter anderm in Übersetzungen Lermontows und des 2. Bandes von Turgenjews „Aufzeichnungen eines Jägers“ — er sehr schätzte w . Ende der sechziger Jahre trat Fontane in nähere Beziehungen zu seinem Kollegen an der „Vossischen Zeitung“, Ludwig Pietsch, der bis zu Turgenjews Tode im Jahre 1883 dessen intimster deutscher Freund und in Wort und Schrift ein unermüdlicher Propagandist seiner Werke war. 1886 lobte Fontane Pietschs Arbeiten über Turgenjew in einem Brief an Georg Fried- laenderr 5 9 — er kannte sie also. Mit dem Diplomaten und Schriftstelle Rudolf Lindau, der ebenfalls ein enger Freund Turgenjews und Verehrer seiner Kunst wär, führte Fontane 1883 ein Gespräch über des Russen realistische Schaflensweise 60 , das ihn so beeindruckte, daß er es aufzeichnete 61.
Kritik russischer Werke
Sucht man nun in Fontanes kritischem Werk nach einer Auseinandersetzung mit der russischen Literatur, so ist die Ausbeute unerwartet gering; nur drei Besprechungen — zwei über Schöpfungen I. S. Turgenjews, eine über L. N. Tolstoj — sind aus seiner Feder geflossen. Eine Erklärung für dieses Ergebnis bei einem erwiesenermaßen so regen Interesse an der Literatur des Nachbarlandes läßt sich wohl nur darin finden, daß Fontane erst in dem Augenblick, als er an seinen eigenen gesellschaftskritischen Romanen zu arbeiten begann, sich ganz zielstrebig —. in der Absicht zu lernen und Neues aufzunehmen — mit Werken fremder Literaturen auseinandergesetzt hat. Die Ansätze, die er in den fünfziger und sechziger Jahren unternahm, über russische Dichter zu schreiben 6 2 ,verliefen daher auch im Sande und erst Ende der siebziger bzw. der achtziger Jahre verfaßte er eine Besprechung und zwei Theaterkritiken: 1877 über Turgenjews Roman „Neuland“* 3 , 1889 über dessen Stück „Ein Monat auf dem Lande“ ** und 1890 über L. N. Tolstojs Drama „Die Macht der Finsternis“ " 5 . Diese beiden russischen Dichter gehören zu den Schriftstellern, deren Werke Fontane ausgangs der achtziger Jahre zu den besten Schätzen der Weltliteratur und zu den bevorzugten Büchern seiner eigenen Neigung zählte Von Turgenjew nennt Fontane in diesem Zusammenhang die Bücher „Das adlige Nest“, „Rauch“ und „Neuland“. Von L. N. Tolstoj ist es die Erzählung „Der Tod des Iwan Iljitsch“ d 6 7, die er zu den besten Werken aller Zeiten un Literaturen rechnet. In der Charakterisierung der letztgenannten 1886 verfaßten Erzählung Tolstojs, die Fontane als „Meisterstück“ bezeich- nete, klingt seine Ende der achtziger Jahre einsetzende Bejahung realistischer Darstellungsweise an. Noch deutlicher kommt die Überwindung früherer ästhetischer Prinzipien, nach denen die Kunst vor allem dem Schönen zu dienen habe, in der Besprechung von Tolstojs Drama „Die Macht der Finsternis“ zum Ausdruck. Fontane sagt 1890, daß die moderne realistische Kunst nichts Besseres und nichts heilig Leuchtenderes aufzuweisen habe als dieses Stück von Tolstoj. Es bleibt zu hoffen,
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