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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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74 Personalpolitik in Polen

Jahre 1984 geschätzt, daß ca. 1800 Betriebsdirektoren ihre Funktionen unter Nichtbeachtung der Selbstverwaltungsorgane ausübten?. Im Zusammenhang da­mit stellt ein prominenter polnischer Jurist auf dem Gebiet der Leitung in der Wirtschaft die Frage: warum nehmen die Bewerber die Stellungen an, obwohl sie wissen, daß die Vertretung der Belegschaft nicht beachtet worden ist. Sie haben also kein Vertrauen seitens der Belegschaft, und andererseits betrachtet sie das Gründungsorgan als die ihm verpflichteten Unterstellten und ordnet sie sich nach der alten Art und Weise unter!°, Der Direktor, der gegenüber dem Grün­dungsorgan dispositiv ist, garantiert nicht die Selbständigkeit des Betriebes als Wirtschaftssubjekt.

In den Bewerbungskommissionen werden die Vertreter der Selbstverwaltung der Belegschaft von drei Personen repräsentiert, während z. B. das Gründungsorgan und die Bank, die die Geschäftsführung dieses Betriebes finanziert, je nur einen Vertreter haben. Trotzdem nehmen die Tendenzen zur Kontrolle der Bewerbun­gen zu. Die Anhänger dieser Kontrolle argumentieren, daß der sozialistische Be­trieb auch wichtige gesellschaftliche und politische Funktionen zu erfüllen hat, also auch die qualifikationsbezogenen Anforderungen an die Bewerber um die Stellung des Direktors des Betriebs sich nicht nur auf die fachlichen Seiten be­schränken dürfen. Bei dieser Gelegenheit werden die politischen Anforderungen immer mehr erhöht. An den(Preis)Bewerbungskommissionen beteiligen sich auch je ein Vertreter der im Betrieb tätigen politischen Organisationen und der Gewerkschaften. Am wesentlichsten ist es aber, daß jeder, der in der Bewerbung um die Stellung des Betriebsdirektors einen Sieg erringt, von der Parteiinstanz der entsprechenden Stufe bestätigt werden muß(sog. Empfehlung). Um peinli­che Situationen nach der beendeten Bewerbung zu vermeiden, versuchen die Kommissionen jeden Kandidaten mit der Parteiinstanz noch vor der Bewerbung abzustimmen. Im Zusammenhang damit schreibt M. Weber, daß diese hohen politischen Anforderungen in Polen auf viele junge, begabte, potentielle Mana­ger entmutigend wirken. Sie bewerben sich also nicht um leitende Stellen!!. Aus­druck dafür ist nicht nur der Mangel an hervorragenden Bewerbern, es fehlt im­mer mehr an einer Zahl von Bewerbern, die eine Bewerbungsdurchführung be­gründen würde. Natürlich werden diese Probleme mit der Bewerbung auch durch andere Faktoren beeinflußt, vor allem durch den Grad der Selbständigkeit und der Autorität der Stellung des Direktors wie auch durch das Niveau der Ent­lohnung der Direktoren.

IV Elemente der Stellung des Direktors im Betrieb

Sowohl die Rechtsvorschriften als auch die Theorie der Leitung in der sozialisti­schen Wirtschaft und vor allem reale Formen der Funktionsweise des gesamt­wirtschaftlichen Leitungssystems und des Leitungssystems in den Industriebe­