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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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138 Gewerkschaftliche Interessenpolitik

2 Aufgaben der Gewerkschaften

Dies ist auch für die Gewerkschaften ein Terrain voller neuer Aufgaben. Auch für die Gewerkschaften gilt, wollen sie nicht der Entwicklung hinterherlaufen, sondern Maßstäbe für die Zukunft setzen: Der Arbeitnehmer von heute tritt nicht mehr in einer anonymen grauen Masse von Arbeitern auf, sondern als Facharbeiter, Angestellter, Techniker, Spezialist usw., und zwar mit voneinan­der differenzierenden beruflichen Interessen. Diesem neuen Arbeitnehmertypus mit seinen individuellen und gruppenspezifischen Erwartungen muß Rechnung getragen werden, und gleichwohl muß er in das traditionelle, alles verbindende solidarische Wir-Gefühl eingebunden werden. Für alle aber steht der Betrieb ganz vorne an. Er ist ihre Existenzgrundlage, in ihm suchen sie Anerkennung und Auskommen, in ihm verbringen sie einen ganz entscheidenden Teil ihres Le­bens. Deshalb muß der Betrieb noch mehr zum zentralen Punkt gewerkschaftli­cher Aktivitäten werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die neuen Tech­nologien, deren Umfang und Dynamik sowie Kompliziertheit verlangen von den Betriebsräten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten umfassende Kenntnisse, um weiterhin verantwortungsvoll mitentscheiden zu können.

Für die Gewerkschaften bedeutet das die Bereitstellung zusätzlicher Beratungs­und Bildungskapazitäten, um den dringend erforderlichen Hilfestellungen ge­recht werden zu können. So wichtig ingenieur- und naturwissenschaftlicher Sachverstand für die Lösung der Probleme und Entwicklung der neuen Techno­logien sind, er ersetzt nicht die Forderung nach einer stärkeren Einbeziehung der Technologiefolgeabschätzung. Dies setzt jedoch eine frühzeitige Einbeziehung der Betriebsräte bei der Technikplanung und der Technikeinführung unter bera­tender Mitwirkung der Gewerkschaften voraus.

3 Mehr Mitbestimmung für die Betriebsräte

Die sogenannten Unterrichtungs- und Beratungsrechte, wie sie$ 90 BetrVG vor­sieht, reichen nicht. Hier brauchen die Betriebsräte ein qualifiziertes Mitbestim­mungsrecht; außerdem kommen sie mit den gefordertengesicherten arbeitswis­senschaftlichen Erkenntnissen bei der Technikfolgeabschätzung nicht weiter. Gerade bei den neuen Technologien fehlt es in der Regel an gesicherten arbeits­wissenschaftlichen Erkenntnissen, zumal weil es sich um Langzeitwirkungen handelt. Die Diskussion um die Technologiefolgeabschätzung muß für den Ar­beitnehmer im Betrieb verständlich und nachvollziehbar geführt werden, damit er in die Entscheidungsprozesse, die ihn und seinen Arbeitsplatz unmittelbar be­treffen, einbezogen werden kann. Das kann von den Gewerkschaften nur gelei­stet werden, wenn die Technologiediskussion in den Betrieben nicht zu einem Thema für Dauerkonflikte gemacht wird, sondern ernsthaft nach Konfliktlösun­gen gesucht wird.