Gewerkschaftliche Interessenpolitik 141
ein wirtschaftspolitisches Programm zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen auf der Grundlage qualitativen Wachstums zu entwickeln. Die Tarifvertragsparteien müssen durch flankierende tarifpolitische Maßnahmen vor allem im Wege weiterer Arbeitszeitverkürzungen ihren Beitrag dazu leisten.
In der Frage der weiteren Arbeitszeitverkürzung und der Verteilung der Arbeitszeit wird es darauf ankommen, möglichst maßgeschneiderte beschäftigungswirksame Lösungen für den jeweiligen Wirtschaftsbereich zu finden. Hierzu sind Branchentarifkonferenzen das geeignete Instrument.
Der Einsatz der neuen Technologien und die weiteren Arbeitszeitverkürzungen machen es erforderlich, auch über die Verteilung der Arbeitszeit nachzudenken. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit, wenn sie im Rahmen einer von der NGG entwickelten langfristigen Arbeitszeit- und Personalplanung geschieht, kann durchaus zu Lösungen führen, die im wohlverstandenen Interesse der Arbeitnehmer liegen. Wie immer kommt es auf das„Wie“ an, wie man eine Sache macht, mit welcher Zielsetzung. Der Tarifvertrag mit ergänzenden Betriebsvereinbarungen ist deshalb unerläßliche Voraussetzung, alles andere läuft auf Regelungen mit jederzeitiger Abrufbarkeit des Arbeitnehmers hinaus. Der technische Fortschritt und die höhere Produktivität dürfen nicht mit sozialem Rückschritt zu Lasten der Arbeitnehmer in den Betrieben erkauft werden. Der Grundsatz des 8-Stunden-Tages muß erhalten bleiben. Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten und die Einführung von Samstagsschichten werden genauso abgelehnt wie Jahresarbeitszeitvereinbarungen; über alle anderen Fragen der Arbeitszeitverteilung läßt sich im Rahmen von Tarifvereinbarungen reden. Solche Tarifvereinbarungen liegen im Interesse vieler Arbeitnehmer, die sich individuellere Arbeitszeitregelungen wünschen, ohne jedoch auf den Schutz des Tarifvertrages verzichten zu müssen. Dies ist auch ein Teil des vollzogenen Wertewandels und Strukturwandels in den Betrieben, dem die Gewerkschaften Rechnung tragen wollen.
Die freie Arbeitszeitwahl ist somit keine taktische Frage, sondern ein Stück Reformpolitik für das nächste Jahrzehnt, die von den Gewerkschaften nicht nur beeinflußt, sondern aktiv mit dem Ziel mitgestaltet werden muß:
Mehr Arbeitsplätze und weniger Dauerüberstunden, mehr Qualifizierung und weniger Streß, Hektik und Belastungen am Arbeitsplatz.
Nicht die Maschinen und ihre Taktzeiten, sondern der Mensch ist die Richtschnur, nach der sich Arbeitsprozeß und Arbeitsorganisation zu richten haben. Nur so wird eine Wirtschaftsordnung mit menschlichem Antlitz und humanen Arbeitsbedingungen zu verwirklichen sein. Der technische Fortschritt muß dem Menschen dienen und ihm seine tägliche Arbeit erleichtern.