Druckschrift 
Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
Seite
144
Einzelbild herunterladen

144 Gewerkschaftliche Interessenpolitik

Die Mitglieder sind jedoch zu Dauermobilisierungen nicht bereit, sie sind kon­fliktbereit, aber wollen keinen Dauerkonflikt, sie erwarten von ihren Gewerk­schaften konfliktlösende Ergebnisse. Sie wollen nicht so sehr eineandere, son­dern vielmehr einebessere Gesellschaft.

Für sie ist der Betrieb nicht ein Exerzierplatz zur Erprobung des Aufstandes, sondern Existenzgrundlage. Von den Gewerkschaften erwarten sie, daß sie stark sind. Stark ist aber nur, wer unabhängig ist. Deshalb sind die Gewerkschaften auch parteipolitisch unabhängig; denn nur wer sich seine Unabhängigkeit be­wahrt, ist wirklich frei in der Wahl der Mittel zur Verfolgung seiner Ziele.

2 Parteipolitische Unabhängigkeit der Interessenvertretung

Aber unabhängig sein heißt nicht neutral sein. Im Gegenteil, gerade aus ihrer Unabhängigkeit heraus ergreifen die Gewerkschaften Partei für die Arbeitneh­mer. Das ist ihre Aufgabe in einer freiheitlichen Demokratie. Sie kämpfen da­für, daß die Regierungen die Ziele der Gewerkschaften mit zu ihrem Politikin­halt machen. Deshalb können nur Gewerkschaften Arbeitnehmerinteressen opti­mal vertreten; denn sie brauchen nicht zum Wähler hinzuschielen. Sie brauchen nicht wie die Parteien Programme für alle Gruppen des Volkes gleichzeitig anzu­bieten.

Das sind die Lehren aus einer über hundertjährigen Geschichte, sie gelten heute trotz aller Veränderungen in der Arbeits- und Lebenssituation der Arbeitneh­mer mehr denn je.

Trotz neuer sozialer Bewegungen und eines vielbeschworenen Wertewandels gilt es vor allem, diese Unabhängigkeit als das Erbe einer langen und traditionsrei­chen Geschichte der Deutschen Gewerkschaftsbewegung zu bewahren.

In ihrem Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, für Chancen­gleichheit und Freiheit, Toleranz und Menschenwürde, für Demokratie und-Mit­bestimmung und ein besseres Morgen ist das Vermächtnis dieses Erbes eine stän­dige Herausforderung an die Gewerkschaften.