Tarifpolitik im Wandel 149
Zur Technik von Tarifverhandlungen gehört zunächst auch der Stil, d.h. die Art und Weise, wie Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften aufeinander zugehen, ob betont sachlich oder emotional argumentiert wird und ob der Arbeitskampf oder seine Androhung Ausnahme, d.h.„ultima ratio“, bleibt.
Leider werden immer wieder schon im Vorfeld der Tarifverhandlungen durch Gewerkschaftsbeschlüsse vorzeitig übertriebene Erwartungshorizonte bei den Arbeitnehmern erweckt, die von vornherein als unrealistisch angesehen werden müssen. Auch wenn jeder Sachkundige weiß, daß zwischen tarifpolitischen Forderungen und Abschlüssen in der Regel erhebliche Bandbreiten bestehen, wird eine tragfähige tarifpolitische Kompromißlösung zum späteren Zeitpunkt sehr erschwert. Die Zahl und Dauer der Verhandlungsrunden erhöht und verlängert sich, und ein möglicher Arbeitskampf ist vorprogrammiert. Zur Tarifautonomie gehören starke handlungsfähige Gewerkschaften, die eine führungskräftige Spitze haben und die u. U. auch rechtzeitig durch realistische Beschlußfassungen in den eigenen Entscheidungsgremien radikale Gruppierungen in ihre Grenzen verweisen. Leider ist das nicht unbedingt die Regel.
Die Arbeitgeberverbände anerkennen deutliche gewerkschaftliche Aktivitäten durchaus als notwendigen Beweis gewerkschaftlicher Existenzberechtigung, auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Unmittelbar drohende Arbeitskämpfe beleben und stärken offensichtlich auch die Organisation der Gewerkschaften. Dennoch sollten sich Gewerkschaften, die doch in unserer Staats- und Gesellschaftsordnung ein anerkannter Ordnungsfaktor sind, vom Boden der Realpolitik nicht zu weit entfernen. Wenn in jüngster Zeit einzelne Gewerkschaften von der Aufstellung vorprägender Forderungspakete Abstand genommen und ihre tarifpolitischen Forderungen erst während der ersten Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern formuliert haben, so sind das durchaus nachahmenswerte Beispiele.
3 Schlichtungsmechanismen sinnvoll
Die Bewältigung von Konflikten und das gemeinsame Erarbeiten von pragmatischen tarifpolitischen Lösungen legt Zeugnis über die Vernunft und Reife der Tarifparteien ab. Dazu gehört vielfach auch die Vereinbarung einer wohl durchdachten Schlichtungsordnung zur Beendigung von akuten Tarifauseinandersetzungen.Zwar sind Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in der Bundesrepublik noch nicht so weit wie die benachbarten Koalitionen in der Schweiz, die seit Ende der 30er Jahre in einem Friedensabkommen auf Arbeitskämpfe freiwillig verzichtet haben. Andererseits wäre es aber falsch, ein gesetzliches Verbot von Streiks und Aussperrungen zu fordern, da Tarifautonomie und Arbeitskampf in einem Sachzusammenhang stehen. Der Staat kann hierbei allenfalls vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, die das Kräftegleichgewicht zwischen den Koali