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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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152 Tarifpolitik im Wandel

len oder regionalen Gesichtspunkten zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen bzw. Tarifbereichen immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Sie lie­ßen sich weiter ausbauen. Die Tarifabschlüsse der Jahre 1984 bis 1986 zeigen be­reits eine erhebliche Bandbreite der Prozentsätze und eine wieder stärkere Diffe­renzierung bei den tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen insgesamt. Die tarif­vertraglichen Steigerungen müssen dabei insgesamt so ausfallen, daß den Betrie­ben eine ausreichende übertarifliche Spanne verbleibt, innerhalb derer einzelbe­triebliche Differenzierungen nach Qualifikation, Branche und Standort möglich sind.

4 Generelle Ordnung durch Tarifverträge, keine Atomisierung

Der Schwerpunkt einer Politik der Lohndifferenzierung muß auf der Differen­zierungsmöglichkeit im Effektivbereich liegen. Eine tarifvertragliche Lohndiffe­renzierung z.B. hat dort ihre Grenze, wo durch eine zu starke Differenzierung der Tariflöhne die gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Ordnungs­funktion der Tarifverträge gefährdet wird. Es muß daher stets ein Mittelweg zwischen einer die unterschiedlichen Gegebenheiten berücksichtigenden diffe­renzierenden Tarifpolitik und einer zu starken Vereinheitlichung der Tarifpolitik gesucht werden.

Für die Aufrechterhaltung der friedenstiftenden Funktion der Tarifverträge darf nicht die notwendige Verbindlichkeit der Tarifnormen als Mindestarbeitsbedin­gungen in Frage gestellt werden. Deshalb sind tarifvertragliche Öffnungsklau­seln, die es ermöglichen, für einzelne Unternehmen durch Betriebsvereinbarun­gen die Tarifverträge abzuändern und niedrigere als in den allgemeinen Tarifver­trägen enthaltene Löhne und Gehälter zu vereinbaren, keine dauerhafte Lösun­gen. Sie würden den Tarifvertrag entwerten und Betriebe und Verbände in eine permanente Lohndiskussion verwickeln. Bei betrieblichen Notlagen könnten in Einzelfällen mögliche Absprachen zwischen den Tarifvertragsparteien korrigie­rend wirken.

Der Tarifvertrag darf also seine generelle Ordnungsfunktion auch in Zukunft nicht verlieren. Für die Betriebe bleibt er eine zeitlich gesicherte Kalkulations­grundlage. Größere Differenzierungen bei den Kostenstrukturen gleichgelager­ter Betriebe könnten zu unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führen. Eine zu starke Aufsplitterung vorhandener Tarifstrukturen nach Branchen- oder Fir­menregelungen würde auf eine Atomisierung der Tarifpolitik hinauslaufen und mit den Grundsätzen und Notwendigkeiten einer Koordinierung der Lohn- und Tarifpolitik nach übergeordneten volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vereinbar sein. Eine vorwiegend betriebsorientierte Tarifpolitik würde die Auf­splitterung der Koalitionen zur Folge haben. Die gemeinsame Haltung in der Ta­rifpolitik wäre in Frage gestellt.