152 Tarifpolitik im Wandel
len oder regionalen Gesichtspunkten zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen bzw. Tarifbereichen immer gegeben und wird es auch in Zukunft geben. Sie ließen sich weiter ausbauen. Die Tarifabschlüsse der Jahre 1984 bis 1986 zeigen bereits eine erhebliche Bandbreite der Prozentsätze und eine wieder stärkere Differenzierung bei den tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen insgesamt. Die tarifvertraglichen Steigerungen müssen dabei insgesamt so ausfallen, daß den Betrieben eine ausreichende übertarifliche Spanne verbleibt, innerhalb derer einzelbetriebliche Differenzierungen nach Qualifikation, Branche und Standort möglich sind.
4 Generelle Ordnung durch Tarifverträge, keine Atomisierung
Der Schwerpunkt einer Politik der Lohndifferenzierung muß auf der Differenzierungsmöglichkeit im Effektivbereich liegen. Eine tarifvertragliche Lohndifferenzierung z.B. hat dort ihre Grenze, wo durch eine zu starke Differenzierung der Tariflöhne die gesamtwirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Ordnungsfunktion der Tarifverträge gefährdet wird. Es muß daher stets ein Mittelweg zwischen einer die unterschiedlichen Gegebenheiten berücksichtigenden differenzierenden Tarifpolitik und einer zu starken Vereinheitlichung der Tarifpolitik gesucht werden.
Für die Aufrechterhaltung der friedenstiftenden Funktion der Tarifverträge darf nicht die notwendige Verbindlichkeit der Tarifnormen als Mindestarbeitsbedingungen in Frage gestellt werden. Deshalb sind tarifvertragliche Öffnungsklauseln, die es ermöglichen, für einzelne Unternehmen durch Betriebsvereinbarungen die Tarifverträge abzuändern und niedrigere als in den allgemeinen Tarifverträgen enthaltene Löhne und Gehälter zu vereinbaren, keine dauerhafte Lösungen. Sie würden den Tarifvertrag entwerten und Betriebe und Verbände in eine permanente Lohndiskussion verwickeln. Bei betrieblichen Notlagen könnten in Einzelfällen mögliche Absprachen zwischen den Tarifvertragsparteien korrigierend wirken.
Der Tarifvertrag darf also seine generelle Ordnungsfunktion auch in Zukunft nicht verlieren. Für die Betriebe bleibt er eine zeitlich gesicherte Kalkulationsgrundlage. Größere Differenzierungen bei den Kostenstrukturen gleichgelagerter Betriebe könnten zu unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen führen. Eine zu starke Aufsplitterung vorhandener Tarifstrukturen nach Branchen- oder Firmenregelungen würde auf eine Atomisierung der Tarifpolitik hinauslaufen und mit den Grundsätzen und Notwendigkeiten einer Koordinierung der Lohn- und Tarifpolitik nach übergeordneten volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht vereinbar sein. Eine vorwiegend betriebsorientierte Tarifpolitik würde die Aufsplitterung der Koalitionen zur Folge haben. Die gemeinsame Haltung in der Tarifpolitik wäre in Frage gestellt.