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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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154 Tarifpolitik im Wandel

2 Flexible Arbeitszeitgestaltung

Die Arbeitgeber haben 1984 nach längeren Arbeitskämpfen einer Verkürzung der 40-Stunden-Woche in einigen Wirtschaftsbereichen zugestimmt, nachdem gleichzeitig die flexible Gestaltung der Arbeitszeit vereinbart werden konnte. Ungeachtet dieser Entwicklungen bleiben die bereits genannten grundsätzlichen Bedenken gegen pauschale und generelle Arbeitszeitverkürzungen bestehen. So­weit jedoch die tarifpolitischen Verhältnisse Abweichungen bedingen, darf nicht darauf verzichtet werden, die Lage der Arbeitszeit nach den betrieblichen Be­dürfnissen so flexibel wie möglich zu gestalten.

Ungeachtet dessen wird ohnehin die flexible Arbeitszeit die Arbeitszeit der Zu­kunft sein. Starre Tarifregelungen werden modernen Produktionsmethoden im­mer weniger gerecht. Der Tarifvertrag der Zukunft sollte sich mehr und mehr von einer festen Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer lösen. Dieselbe Arbeitszeit, die einheitlich für alle Betriebe eines Tarifbereiches gilt, sollte es in den kom­menden Jahrzehnten immer seltener geben. Der Tarifvertrag der Zukunft muß Arbeitnehmern und Betrieben eine breitere Spanne von Arbeitszeitmöglichkei­ten erlauben. Jeder Arbeitnehmer kann dann auch selbst entscheiden, ob er z. B. 45 Stunden wöchentlich oder nur noch 30 Stunden arbeiten will. Der Betrieb kann auf der Grundlage einer monatlichen, 1/4-jährlichen, 1/2-jährlichen oder Jahresarbeitszeit an einzelnen Tagen, Wochen oder Monaten, je nachdem kür­zer oder länger arbeiten, sofern dies die betrieblichen Verhältnisse erfordern.

Die betriebliche Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitsysteme kommt auch dem zunehmenden Wunsch der Arbeitnehmer nach individueller Lebensgestaltung entgegen. Je besser die betrieblichen Notwendigkeiten und individuellen Interes­sen aufeinander abgestimmt werden, desto größer sind die Vorteile für alle Be­teiligten. Um sie zu erreichen, sind Arbeit und Freizeit, Beruf und Weiterbildung noch stärker miteinander in Einklang zu bringen. Der technische Fortschritt in den Unternehmen und die sich wandelnden Bedürfnisse der Menschen erfordern veränderte und modernisierte Arbeitsorganisationen. Maßstab sind betriebliche Effektivität und menschliche Akzeptanz. Mehr Flexibilität und Differenzierung bei den Arbeitsbedingungen bedeuten keinen Abbau des sozialen Schutzes, son­dern neue und sinnvollere Ausformung der gesetzlichen, kollektiven und indivi­duellen Arbeitsvertragsgestaltung.

Arbeitszeiten und Betriebszeiten lassen sich nicht in ein Einheitsschema pressen. Wettbewerbsfähigkeit Produktionen, hohe Lohnkosten, kurze durchschnittliche Arbeitszeiten und das Dienstleistungsangebot verlangen die bestmögliche Aus­nutzung der betrieblichen Kapazitäten und Maschinen. Dieser Notwendigkeit tragen flexible Arbeitszeitbedingungen Rechnung. Dieser Weg muß fortgeführt werden.