154 Tarifpolitik im Wandel
2 Flexible Arbeitszeitgestaltung
Die Arbeitgeber haben 1984 nach längeren Arbeitskämpfen einer Verkürzung der 40-Stunden-Woche in einigen Wirtschaftsbereichen zugestimmt, nachdem gleichzeitig die flexible Gestaltung der Arbeitszeit vereinbart werden konnte. Ungeachtet dieser Entwicklungen bleiben die bereits genannten grundsätzlichen Bedenken gegen pauschale und generelle Arbeitszeitverkürzungen bestehen. Soweit jedoch die tarifpolitischen Verhältnisse Abweichungen bedingen, darf nicht darauf verzichtet werden, die Lage der Arbeitszeit nach den betrieblichen Bedürfnissen so flexibel wie möglich zu gestalten.
Ungeachtet dessen wird ohnehin die flexible Arbeitszeit die Arbeitszeit der Zukunft sein. Starre Tarifregelungen werden modernen Produktionsmethoden immer weniger gerecht. Der Tarifvertrag der Zukunft sollte sich mehr und mehr von einer festen Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer lösen. Dieselbe Arbeitszeit, die einheitlich für alle Betriebe eines Tarifbereiches gilt, sollte es in den kommenden Jahrzehnten immer seltener geben. Der Tarifvertrag der Zukunft muß Arbeitnehmern und Betrieben eine breitere Spanne von Arbeitszeitmöglichkeiten erlauben. Jeder Arbeitnehmer kann dann auch selbst entscheiden, ob er z. B. 45 Stunden wöchentlich oder nur noch 30 Stunden arbeiten will. Der Betrieb kann auf der Grundlage einer monatlichen, 1/4-jährlichen, 1/2-jährlichen oder Jahresarbeitszeit an einzelnen Tagen, Wochen oder Monaten, je nachdem kürzer oder länger arbeiten, sofern dies die betrieblichen Verhältnisse erfordern.
Die betriebliche Notwendigkeit flexibler Arbeitszeitsysteme kommt auch dem zunehmenden Wunsch der Arbeitnehmer nach individueller Lebensgestaltung entgegen. Je besser die betrieblichen Notwendigkeiten und individuellen Interessen aufeinander abgestimmt werden, desto größer sind die Vorteile für alle Beteiligten. Um sie zu erreichen, sind Arbeit und Freizeit, Beruf und Weiterbildung noch stärker miteinander in Einklang zu bringen. Der technische Fortschritt in den Unternehmen und die sich wandelnden Bedürfnisse der Menschen erfordern veränderte und modernisierte Arbeitsorganisationen. Maßstab sind betriebliche Effektivität und menschliche Akzeptanz. Mehr Flexibilität und Differenzierung bei den Arbeitsbedingungen bedeuten keinen Abbau des sozialen Schutzes, sondern neue und sinnvollere Ausformung der gesetzlichen, kollektiven und individuellen Arbeitsvertragsgestaltung.
Arbeitszeiten und Betriebszeiten lassen sich nicht in ein Einheitsschema pressen. Wettbewerbsfähigkeit Produktionen, hohe Lohnkosten, kurze durchschnittliche Arbeitszeiten und das Dienstleistungsangebot verlangen die bestmögliche Ausnutzung der betrieblichen Kapazitäten und Maschinen. Dieser Notwendigkeit tragen flexible Arbeitszeitbedingungen Rechnung. Dieser Weg muß fortgeführt werden.