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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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160 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes

Arbeitsbedingungen zu erreichen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, auf den Streik entweder mit einer Aussperrung der Belegschaft zu reagieren oder aber den Ver­such zu unternehmen, mit Arbeitswilligen den Betrieb, so gut es eben geht, fort­zuführen. Der Arbeitgeber kann zu diesem Zweck nicht nur ohne insoweit an die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gebunden zu sein Neueinstellun­gen vornehmen oder Arbeitnehmer von Personal-Leasingfirmen einsetzen, Son­dern auch mit Arbeitswilligen Mehrarbeitsabreden treffen und Versetzungen zum Zweck der Aufrechterhaltung der Produktion vornehmen.

Der Arbeitseinsatz unter den Bedingungen eines Arbeitskampfes ist für die ar­beitswilligen Arbeitnehmer mit besonderen Problemen verbunden. Schmähun­gen durch Streikposten sind zu ertragen, die Tätigkeit im Betrieb ist streßbehaf­teter als in der Normalsituation. Der Arbeitgeber, der auf eine Aussperrung ver­zichten will, steht daher vor der Frage, in welcher Weise er die Belegschaftsange­hörigen, die trotz des Streikaufrufs der zuständigen Gewerkschaft bereit sind, während des Arbeitskampfes im Betrieb zu arbeiten, u. U., wenn es nach der IG Druck und Papier geht, unter den Augen ihrer streikenden Arbeitskollegen, so bezahlt, daß er den besonderen Erschwernissen der Arbeit in der Streikphase Rechnung trägt und ihre Motivation sichert, die Arbeit während der gesamten Streikphase durchzuhalten. So haben z.B. Unternehmen an Arbeitswillige pro Arbeitstag während eines Streiks eine Zulage von 100 DM bzw. von 70 DM ge­zahlt, um dadurch die von den Mitarbeitern auf sich genommene Mehrbelastung und ihre besondere Einsatzbereitschaft während des Streiks abzugelten. Im fol­genden soll untersucht werden, ob solche Zahlungen grundsätzlich zulässig sind. Ausgangspunkt dabei ist, daß solche zusätzlichen Zahlungen an arbeitswillige Mitarbeiter während einer Tarifauseinandersetzung keine tariflichen Entgelte für erbrachte Arbeitsleistungen darstellen. Vielmehr handelt es sich um Sonder­vergütungen(Prämien), die zusätzlich zum tariflichen Entgelt erbracht werden zur Abgeltung einer Arbeitsleistung unter besonders schwierigen, nicht norma­len Bedingungen.

II Verstoß der Prämienzahlung gegen Art. 9 Abs. 3 GG?

1 Inhalt von Art. 9 Abs. 3 GG

Die Zahlung solcher Prämien könnte gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG verstoßen, wenn sie die positive Koalitionsfreiheit der den Kampf führenden Gewerkschaft rechtswidrig beeinträchtigte. Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigun­gen zu bilden. Daraus hat das Bundesverfassungsgericht im Wege teleologischer Sinnentfaltung der Vorschrift vier verfassungskonkretisierende Rechtssätze ab­geleitet!: