166 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes
in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu den Tarifausschlußklauseln erhobenen Bedenken stoßen?®,
Der Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit des Außenseiters durch Tarifausschlußklauseln ist der spiegelbildliche Fall zu dem vorliegenden. Das Bundesarbeitsgericht hatte angenommen, durch das Vorenthalten nur den organisierten Arbeitnehmern gewährten Leistungen, nämlich eines um DM 60 erhöhten Urlaubsgeldes, werde in die negative Koalitionsfreiheit der Nichtorganisierten eingegriffen. Auch dort lag ein direkter Eingriff in die Vertragsfreiheit der Außenseiter nicht vor, sondern lediglich eine faktische Beeinflussung bzw. Beeinträchtigung der Lage der Außenseiter durch die Tarifparteien?!.
Der Tarifausschlußklausel lag das Bestreben zugrunde, den Gewerkschaftsmitgliedern wenigstens zum Teil einen Ausgleich für die Aufwendungen zu ersetzen, die sie für die Mitgliedschaft in den Gewerkschaften machen müssen?,
Bei einem Gewerkschaftsbeitrag von 1% sind das pro Jahr ungefähr 200 DM. Das vorgesehene Zusatzurlaubsgeld erreichte diesen Betrag nicht einmal annähernd. Das Bundesarbeitsgericht sah in dieser Zusatzleistung an Organisierte eine sozialinadäquate Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit der von ihr ausgeschlossenen Außenseiter, ohne allerdings eine fundierte Abwägung zwischen der positiven Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer und ihrer Koalitionen und der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter vorzunehmen??,
Eine solche Abwägung hätte berücksichtigen müssen, daß zulässige Vereinbarungen der Tarifparteien, die in die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter„faktisch“ eingreifen, nicht schlechthin wegen dieser Nebenwirkung unzulässig sein können. Art. 9 Abs. 3 GG enthält insoweit eine„Einrichtungsgarantie“, die den grundrechtlichen Schutz der positiven Koalitionsfreiheit bei der Abwägung zu beachten gebietet.
Das Bundesarbeitsgericht sieht dies zwar offenbar, meint aber im konkreten Fall, daß durch die Tarifausschluß- und Abstandsklauseln Druck auf die Nichtorganisierten ausgeübt werde, der Organisation beizutreten, was wegen der intendierten Ausschlußwirkung der Außenseiter von dieser Leistung ein„gröblicher Verstoß gegen das Gerechtigkeitsempfinden“ und deshalb sozialinadäquat sei. Nicht die schlichte, an die Dauer der Gewerkschaftszugehörigkeit als Leistungsbemessungsfaktor anknüpfende Differenzierungsklausel wurde beanstandet, sondern der Ausschluß der Außenseiter durch Eingriff in deren Vertragsfreiheit. Die Abwägung wurde also mit Hilfe einer qualitativen, nicht einer quantitativen Erwägung zum Nachteil der positiven Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften entschieden. Im vorliegenden Falle wäre der Abwägungsprozeß ebenfalls mit einer qualitativen Erwägung zu entscheiden, wenn etwa der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern für die Zukunft die Unterzeichnung von Nichtstreik