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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes 167

teilnahmeerklärungen oder Notarbeitsverpflichtungen anböte und die Unter­zeichnung mit der Zusage verknüpfte, für die Arbeit an Streiktagen zusätzlich Prämien zu zahlen, oder wenn der Arbeitgeber den Gewerkschaftsmitgliedern bzw. denen, die eine solche Erklärung nicht unterschrieben, eine Aussperrung bei künftigen Arbeitskämpfen androhte(vgl. dazu BAG AP Nr. 66 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Durch den Geist, der aus einem solchen Verhalten sicht­bar wird, würde die positive Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften in einer mit dem Gerechtigkeitsempfinden unvereinbaren Weise beeinträchtigt. Um eine sol­che bereits qualitativ anstößige Differenzierung geht es hier nicht. Hier geht es um die rechtliche Beurteilung einer schlichten Differenzierung zwischen denen, die unter Inanspruchnahme ihrer rechtlich geschützten Freiheit, nicht am Streik teilzunehmen, bereit waren, während einer konkreten Streikphase zu arbeiten und dem Arbeitgeber die Fortführung des Betriebes zu ermöglichen, und denen, die von ihrem Recht Gebrauch machten, die Arbeit niederzulegen. Diese Interes­senabwägung ist durch die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeits­gerichts zur Tarifausschluß- und Abstandsklausel noch nicht vorweggenommen, sondern muß neu erarbeitet werden. Bei Vornahme einer schlichten Differenzie­rung ist nicht bereits jeder Anreiz, der eine Organisation attraktiver macht, zu­gleich ein zu mißbilligender Druck; es muß vielmehr ein quantitativer Maßstab gefunden werden, der zulässigen von unzulässigem Druck abgrenzt. Denn die Entscheidung des Außenseiters, einer Koalition fernzubleiben, wird durch Orga­nisationsanreize noch nichtunfrei. Eine Nachteilszufügung(Sanktion) ist darin nicht zu sehen, solange der zusätzlich versprochene Betrag unter dem bleibt, den der Organisierte für seinen Beitritt aufwenden muß?*,

Unter dieser Voraussetzung kann keine Rede davon sein, daß ein Außenseiter den Gewerkschaftsbeitrag nur deshalb auf sich nimmt, um in den Genuß der zu­sätzlichen Leistung zu gelangen?*.

Insofern könnte man überhaupt das Vorliegen von Druck verneinen, solange die Rechnung für den Außenseiter nicht negativ wird?®,

Wie hoch ein solcher Bonus im Einzelfall höchstens sein darf, kann hier dahin­gestellt bleiben. Die Gewinnung eines allgemeinen Rechtssatzes aus Art. 9 Abs. 3 GG muß von einer teleologischen Interpretation ausgehen. Wenn es dar­um geht, die Freiheit des Außenseiters, einer Koalition nicht beizutreten, zu schützen, so kann ein(faktischer)Zwang zum Beitritt erst dort beginnen, wo es für einen vernünftigen(d.h. pragmatisch entscheidenden und nicht im vorhin­ein ideologisch festgelegten) Arbeitnehmer praktisch unsinnig würde, abseits zu bleiben.

Ein solcher mittelbarerZwang setzt nicht schon dann ein, wenn irgendwelche Anreize gesetzt werden, sondern erst dann, wenn der mittelbare Druckübermä­ßig wird, also in keinem Verhältnis zum berechtigten Anliegen der Maßnahme