168 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes
steht. Attraktive positive Folgen eines Verbandsbeitritts, die eine Sogwirkung zugunsten des Verbandsbeitritts auslösen und im Gefolge einer sachgemäßen Differenzierung eintreten, stellen deshalb nicht per se einen unzulässigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit dar?’.
Schlichte Differenzierungen im vorgemeinten Sinne sind also nicht schlechthin unzulässig?®,
Der Einwand, es sei nicht faßbar, was„maßvoll“ sei und was nicht??, greift demgegenüber nicht durch. Abwägungen zwischen kollidierenden Rechtsgütern im Einzelfall, Feststellungen darüber, von welcher Grenze an im Einzelfall eine Regelung(ein Zinssatz, ein Preis) mißbräuchlich ist, gehören heute zu den Alltagsauffassungen der Rechtsprechung. Ein Beispiel für die Quantifizierung der Grenze von noch„verhältnismäßigen“ Grundrechtseingriffen liefert die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Rückzahlungsklauseln bei Gratifikationen?®,
Ebenso wird das Streikrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit— jedenfalls als Schranken-Schranke— unterworfen?!.
Die Feststellung, daß„maßvoller“ Druck zulässig ist, steht auch im Zentrum der beiden„Warnstreik-Entscheidungen“ des Bundesarbeitsgerichts??.
Gerade aus diesen Entscheidungen geht hervor, daß auch außerhalb der heißen Arbeitskampfphase kein Recht einer Koalition darauf besteht, völlig„frei“, d.h. Ohne Druck der Gegenseite bleiben zu können. Dennoch bleibt der Tarifvertrag ein„frei“ ausgehandelter Vertrag??.
In diesem Sinne ist für die hier behandelten Zahlungen des Arbeitgebers entscheidend, ob die Prämien an nichtstreikende Arbeiter zur Sicherung der betrieblichen Produktion sich noch im Rahmen„maßvollen“ Drucks auf die streikenden Arbeitnehmer hielten. Bei dieser Abwägung ist von Bedeutung, inwieweit die Zulage für die Mehrbelastung in einem„angemessenen“ Verhältnis zum Anlaß steht.
Die hier in Höhe von 100 bzw. 70 DM gezahlten Prämien übersteigen nicht den sonst für Zusatzarbeit gezahlten Zuschlag“.
Diese Zuschläge sollen die durch den Freizeitverlust an im allgemeinen arbeitsfreien Tagen entstehenden Nachteile auffangen, weil an solchen Tagen die Arbeit ein besonderes Opfer darstellt, da es erfahrungsgemäß vielen nicht leichtfällt zu arbeiten, während die übrigen einen freien Tag haben. Auch im Falle der Arbeit an Streiktagen wird Arbeit geleistet, die der Arbeitnehmer rechtlich nicht zu leisten braucht und die erfahrungsgemäß nicht leichtfällt, weil die Arbeit an solchen Tagen unter besonders schwierigen Begleitumständen(größere Hektik und Nervosität, Übernahme ungewohnter, zusätzlicher Aufgaben) stattfindet