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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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168 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes

steht. Attraktive positive Folgen eines Verbandsbeitritts, die eine Sogwirkung zugunsten des Verbandsbeitritts auslösen und im Gefolge einer sachgemäßen Differenzierung eintreten, stellen deshalb nicht per se einen unzulässigen Ein­griff in die Koalitionsfreiheit dar?.

Schlichte Differenzierungen im vorgemeinten Sinne sind also nicht schlechthin unzulässig?®,

Der Einwand, es sei nicht faßbar, wasmaßvoll sei und was nicht??, greift dem­gegenüber nicht durch. Abwägungen zwischen kollidierenden Rechtsgütern im Einzelfall, Feststellungen darüber, von welcher Grenze an im Einzelfall eine Re­gelung(ein Zinssatz, ein Preis) mißbräuchlich ist, gehören heute zu den Alltags­auffassungen der Rechtsprechung. Ein Beispiel für die Quantifizierung der Grenze von nochverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen liefert die Recht­sprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den Rückzahlungsklauseln bei Gratifi­kationen?®,

Ebenso wird das Streikrecht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jeden­falls als Schranken-Schranke unterworfen?!.

Die Feststellung, daßmaßvoller Druck zulässig ist, steht auch im Zentrum der beidenWarnstreik-Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts??.

Gerade aus diesen Entscheidungen geht hervor, daß auch außerhalb der heißen Arbeitskampfphase kein Recht einer Koalition darauf besteht, völligfrei, d.h. Ohne Druck der Gegenseite bleiben zu können. Dennoch bleibt der Tarifvertrag einfrei ausgehandelter Vertrag??.

In diesem Sinne ist für die hier behandelten Zahlungen des Arbeitgebers ent­scheidend, ob die Prämien an nichtstreikende Arbeiter zur Sicherung der be­trieblichen Produktion sich noch im Rahmenmaßvollen Drucks auf die strei­kenden Arbeitnehmer hielten. Bei dieser Abwägung ist von Bedeutung, inwie­weit die Zulage für die Mehrbelastung in einemangemessenen Verhältnis zum Anlaß steht.

Die hier in Höhe von 100 bzw. 70 DM gezahlten Prämien übersteigen nicht den sonst für Zusatzarbeit gezahlten Zuschlag.

Diese Zuschläge sollen die durch den Freizeitverlust an im allgemeinen arbeits­freien Tagen entstehenden Nachteile auffangen, weil an solchen Tagen die Ar­beit ein besonderes Opfer darstellt, da es erfahrungsgemäß vielen nicht leicht­fällt zu arbeiten, während die übrigen einen freien Tag haben. Auch im Falle der Arbeit an Streiktagen wird Arbeit geleistet, die der Arbeitnehmer rechtlich nicht zu leisten braucht und die erfahrungsgemäß nicht leichtfällt, weil die Arbeit an solchen Tagen unter besonders schwierigen Begleitumständen(größere Hektik und Nervosität, Übernahme ungewohnter, zusätzlicher Aufgaben) stattfindet