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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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170 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes

vor entgegenstehenden Interessen Dritter nicht zurückzutreten brauchen und, wie dies im Interessenkampf allgemein zugelassen ist, darauf hinarbei­ten dürfen, über sie die Oberhand zu gewinnen. Da zur Stärkung ihrer Stel­lung und ihrer wirtschaftlichen Kraft die möglichst vollzählige Heranziehung aller für sie in Betracht kommenden Personen von ausschlaggebender Bedeu­tung ist, kann ihnen nicht verwehrt werden, zur Erreichung dieser Vorausset­zung einen gewissen Druck(Hervorhebung vom Verfasser) auf die zum An­schluß nicht Bereiten auszuüben und Maßnahmen zu treffen, um ihren Wi­derstand zu überwinden. Selbstredend dürfen hierbei nur erlaubte Mittel zur Anwendung gelangen und auch sie nur insoweit, als sie in ihrer Auswirkung nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Letzten Endes müssen diese die Gren­ze der zulässigen Maßnahmen bestimmen.

Daß ein solcherGegendruck der Arbeitgeber, solange er den vorgegebenen Rahmen wahrt, angemessen ist, gründet sich letztlich in dem in Art. 14 wurzeln­den Interesse an der Aufrechterhaltung der Produktion. Maßnahmen, die der Arbeitgeber zu diesem Zweck ergreift, können nicht generell an Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG scheitern. So kann der Arbeitgeber auch Dritte zu Streikarbeiten ein­stellen und ihnen Zulagen der in Rede stehenden Art gewähren.

Die mit ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträge fallen natürlich nicht unter Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG.

Die Unwirksamkeit solcher Maßnahmen tritt vielmehr erst dann ein, wenn die ergriffenen Maßnahmen nach ihrer Art unverhältnismäßig sind, insbesondere von ihrer Höhe her zu einerStreikbruchprämie für Mitarbeiter entarten.

Zulagen in Höhe von 100, DM pro Tag sind keine solchenStreikbruchprä­mien, da sie die Höhe der üblichen Zuschläge nicht überschreiten und somit keine gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG relevante Benachteiligung darstellen. Dar­an ändert sich nichts, wenn von vornherein bekannt ist, daß der Arbeitgeber Zu­lagen zahlen würde. Dadurch ist der außertarifliche Prämiencharakter nicht aus­geschlossen. Daß eine derartige maßvolle Prämie nur ohne Ankündigung gezahlt und nicht mit ihr geworben werden dürfe, wäre nicht nur sachfremd, sondern ist durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht geboten. Insofern kann der Einwand, es sei be­kannt gewesen, daß der Arbeitgeber für die Arbeitsaufnahme eine solche Zulage gewähre, nicht durchgreifen. Denn auch wenn sich die Arbeitnehmer, die da­nach die Arbeit aufnahmen, davon hätten motivieren lassen, so bedeutet das nach dem Gesagten nicht, daß ihre Entscheidungunfrei und durch Verlockun­gen des Arbeitgeberserzwungen war. Wenn sich wirklich ein Arbeitnehmer aufgrund der angekündigten Prämienzahlung zur Arbeit begeben hat, dann kann die motivierende Kraft nicht weitergegangen sein, als sie im Angebot einer Kompensation für die zusätzlichen Arbeitsbelastungen lag. Wenn die Prämie in