170 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes
vor entgegenstehenden Interessen Dritter nicht zurückzutreten brauchen und, wie dies im Interessenkampf allgemein zugelassen ist, darauf hinarbeiten dürfen, über sie die Oberhand zu gewinnen. Da zur Stärkung ihrer Stellung und ihrer wirtschaftlichen Kraft die möglichst vollzählige Heranziehung aller für sie in Betracht kommenden Personen von ausschlaggebender Bedeutung ist, kann ihnen nicht verwehrt werden, zur Erreichung dieser Voraussetzung einen gewissen Druck(Hervorhebung vom Verfasser) auf die zum Anschluß nicht Bereiten auszuüben und Maßnahmen zu treffen, um ihren Widerstand zu überwinden. Selbstredend dürfen hierbei nur erlaubte Mittel zur Anwendung gelangen und auch sie nur insoweit, als sie in ihrer Auswirkung nicht gegen die guten Sitten verstoßen. Letzten Endes müssen diese die Grenze der zulässigen Maßnahmen bestimmen.“
Daß ein solcher„Gegendruck“ der Arbeitgeber, solange er den vorgegebenen Rahmen wahrt, angemessen ist, gründet sich letztlich in dem in Art. 14 wurzelnden Interesse an der Aufrechterhaltung der Produktion. Maßnahmen, die der Arbeitgeber zu diesem Zweck ergreift, können nicht generell an Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG scheitern. So kann der Arbeitgeber auch Dritte zu Streikarbeiten einstellen und ihnen Zulagen der in Rede stehenden Art gewähren“.
Die mit ihnen abgeschlossenen Arbeitsverträge fallen natürlich nicht unter Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG.
Die Unwirksamkeit solcher Maßnahmen tritt vielmehr erst dann ein, wenn die ergriffenen Maßnahmen nach ihrer Art unverhältnismäßig sind, insbesondere von ihrer Höhe her zu einer„Streikbruchprämie“ für Mitarbeiter entarten.
Zulagen in Höhe von 100,— DM pro Tag sind keine solchen„Streikbruchprämien“, da sie die Höhe der üblichen Zuschläge nicht überschreiten und somit keine gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG relevante Benachteiligung darstellen. Daran ändert sich nichts, wenn von vornherein bekannt ist, daß der Arbeitgeber Zulagen zahlen würde. Dadurch ist der außertarifliche Prämiencharakter nicht ausgeschlossen. Daß eine derartige maßvolle Prämie nur ohne Ankündigung gezahlt und nicht mit ihr geworben werden dürfe, wäre nicht nur sachfremd, sondern ist durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht geboten. Insofern kann der Einwand, es sei bekannt gewesen, daß der Arbeitgeber für die Arbeitsaufnahme eine solche Zulage gewähre, nicht durchgreifen. Denn auch wenn sich die Arbeitnehmer, die danach die Arbeit aufnahmen, davon hätten motivieren lassen, so bedeutet das nach dem Gesagten nicht, daß ihre Entscheidung„unfrei“ und durch Verlockungen des Arbeitgebers„erzwungen“ war. Wenn sich wirklich ein Arbeitnehmer aufgrund der angekündigten Prämienzahlung zur Arbeit begeben hat, dann kann die motivierende Kraft nicht weitergegangen sein, als sie im Angebot einer Kompensation für die zusätzlichen Arbeitsbelastungen lag. Wenn die Prämie in
