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Humanität und Rationalität in Personalpolitik und Personalführung : Beiträge zum 60. Geburtstag von Ernst Zander / hrsg. von Helmut Glaubrecht und Dieter Wagner
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180 Lohnzahlung während eines Arbeitskampfes

fortzuzahlendes Entgelt im Sinne von$ 2 Abs. 1 Satz 1 LohnFG sei. Die Un­zulässigkeit einer solchen Differenzierung folge jedoch daraus, daß durch sie zwingende, dem Schutz des Arbeitnehmers dienende Normen umgangen wer­den. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht m. E. zutreffend(vgl. bereits meine Stellungnahme aus dem Jahre 1972, a.a.O. S. 229) trotz kritischer Stimmen in der Literatur?! in seinem Urteil vom 23. 5. 84° bestätigt. Damit ist nunmehr klargestellt, daß bei krankheitsbedingten Fehlzeiten eine Kürzung von Anwesenheitsprämien, überhaupt von freiwilligen Zusatzleistungen, nicht in Frage kommt; die Tatsache, daß keine Arbeitsleistung erbracht wurde, ist als Differenzierungskriterium unzulässig, weil dadurch Vorschriften des Lohnfort­zahlungsgesetzes mißachtet werden.

Zu prüfen ist, ob die Kläger aus dieser Rechtsprechung etwas für die Beurteilung streikbedingter Abwesenheit ableiten können. Ein Gebot zur Gleichstellung streikbedingter und krankheitsbedingter Fehlzeiten würde gegen diese Prinzipien verstoßen.

Zunächst ist die Rechtmäßigkeit der streikbedingten Arbeitsverweigerung kein Gesichtspunkt, der eine solche Gleichstellung gebietet, wie das Bundesarbeitsge­richt seinerzeit® bereits festgestellt hat. Das ist m. E. nicht der Fall, da bei unter­schiedlicher Behandlung von betrieblicher Anwesenheit und streikbedingter Ab­wesenheit keine gesetzlichen Wertungen verletzt werden, sondern ein der Rege­lungs- und Kampfautonomie der Kollektivparteien überlassenes Terrain vor­liegt, in das der Gesetzgeber nicht wertend eingegriffen hat und auch nur unter Beachtung der das Arbeitskampfrecht prägenden verfassungsrechtlichen Grund­entscheidungen von Staatsneutralität und Kampfparität eingreifen könnte®.

Der tragende Gesichtspunkt ist der Schutz der gesetzlich statuierten Lohnfort­zahlung. Diese dient dazu, dem Kranken dasjenige Arbeitsentgelt zu sichern, das er im Falle der Arbeitsleistung verdient hätte, und dazu gehören neben dem Lohn i.e.S. auch alle sonstigen im Arbeitsverhältnis wurzelndem Zahlungen, die nicht Aufwendungsersatz sind. Genau anders ist es im Falle des Streiks. Trotz der Tatsache, daß der gewerkschaftliche Streik rechtmäßig ist und die Arbeits­niederlegung im Lichte der wertsetzenden Bedeutung von Art. 9 Abs. 3 GG nicht als Arbeitsvertragsbruch zu werten ist,® trägt der streikende Arbeitnehmer dasLohnrisiko, mit anderen Worten, der rechtlichen Arbeitsverweigerung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer folgt die(rechtmäßige) Einbehaltung des Lohns durch den Arbeitgeber®,

Insofern hat der Streikende tatsächlich dasselbeRecht wie der Kranke, nicht zu arbeiten. Der Gesetzgeber hat jedoch das Entgeltrisiko anders verteilt. Er würde sogar gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen und die Kampfparität empfind­lich verletzen, wenn er die Arbeitgeber verpflichten würde, an streikende Arbeit­nehmer den Lohn weiterzuzahlen. Diese verfassungsrechtlich gebotene Differen­